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Mittwoch, 22.10.2003 | von: mw

London - Brighton (54 Meilen)

Da ich schon immer mal in England laufen wollte, habe ich über unsere 100 MC UK - Partnerseite nach Veranstaltungen in der Nähe von London Ausschau gehalten. Die Wahl fiel auf einen Ultra, der etwas über die doppelte Marathon Distanz hat. Es soll vom Zentrum Londons bis nach Brighton am Ärmelkanal gehen. Die Anmeldung per Internet klappt problemlos, der Veranstalter hat Verständnis für die hohen Auslandsüberweisungskosten, so daß ich die Startgebühr und den Fahrpreis für den Rücktransfer vor Ort entrichten kann. Die Anmeldung wird mit detaillierten Angaben zur Strecke incl. Karten, Cut-off Zeiten etc. per Post bestätigt. Die Anreise mit dem Flugzeug vom Niederrhein bis nach London ist unproblematisch wenn man den Flughafen Niederrhein findet und nicht auf die im Flieger angebotene Expreßzug - Verbindung in die Innenstadt, die etwa den doppelten Buspreis ausmachen würde, hereinfällt. (Wer es eilig hat, dann ist gegen den Zug sicherlich nichts zu sagen.) In der Innenstadt angekommen wird man mit einem der vier Nachteile dieser sonst gut organisierten Veranstaltung konfrontiert. Der Veranstalter bietet kein Massenquartier an und der Start ist aufgrund der Streckenlänge und der mit kürzeren Tagen verbundenen Jahreszeit bereits um 7 Uhr früh, genauer gesagt mit dem ersten Schlag des Big Ben, an dem der Start erfolgt. Da die Tube ( U-Bahn) am Sonntag ebenfalls erst ab 7 Uhr verkehrt und vorher noch die Startunterlagen abgeholt werden wollen (am Vortag leider nicht möglich), ist man auf einen Helfer mit Auto oder ein Hotel in der Nähe angewiesen. (Es sei denn man möchte aufgrund der Stadtausdehnung noch ein paar Meilchen mehr vor dem Aufstehen laufen.) Ich übernachte im "Mad Hatter", das zwar komfortabel aber sündhaft teuer ist (96 GBP / Doppel = ca. 143 EUR / Nacht ), aber den riesigen Vorteil von nur 200 m Fußweg zur Startnummernausgabe hat. Nach dem Start läuft man zunächst 15 Meilen durch die Stadt, immer auf der linken Seite. Die Strecke ist nicht verkehrsfrei (Nachteil Nr. 2). Als nicht Brite hat man auch an Kreuzungen so seine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, aus welcher Richtung Fahrzeuge kommen könnten, auch wenn sich die zahlreichen freiwilligen Helfer größte Mühe geben und die Auto- sowie Busfahrer rücksichtsvoll sind. Alle 5 Meilen (= 8 Kilometer) gibt es eine Verpflegungsstelle. Nach der Stadtgrenze, die nach 15 Meilen erreicht wird, fangen die Hügel an. Nach 20 Meilen, nachdem die London Orbital - Autobahn auf einer Brücke überquert und die nächste Verpflegung erreicht wird, macht sich bei mir ein gewisses Hungergefühl bemerkbar. Auf meine Frage nach Bananen oder ähnlichen, bekomme ich die Antwort, daß es erst ab Meile 30 etwas zu essen gibt, da man Marathon ja ohne feste Nahrung laufen soll. Es ist mir bis heute nicht klar, ob hier jemand die Trainingslehre bzgl. Ultraläufe mißverstanden hatte oder das bei UK - Ultras Usus ist, allerdings werde sicherlich keinen Lauf mehr dort absolvieren, ohne feste Eigenverpflegung zu hinterlegen. (Nachteil Nr. 3) Ohne Hilfe zwei freundlicher Frauen mit Gummibärchen und Orangen nach 26 Meilen hätte ich sicherlich bis zum 30 Meilen - Punkt länger gebraucht, zumal die Strecke verkehrsärmer, jedoch immer hügeliger wurde. Man läuft und läuft durch kleine Ortschaften von Sussex, teilweise sieht man meilenweit keinen Menschen. Sofort fällt einem der englische Schriftsteller Allan Sillitoe mit seinem "The loneliness of the long-distance runner" ein. Die Landschaft ist schön, lädt durchaus zu kleinen Gehpausen insbesondere an den Steigungen ein, man sollte jedoch nicht das für diese Gesamtdistanz recht enge Zeitlimit von 9 Stunden und 50 Minuten aus den Augen verlieren. (Nachteil Nr. 4, durch besseres Training überwindbar). Gegen Ende des Laufes ist eine Kombination aus Stadt- und Bergläufer gefragt, da zwischen der Meile 47 und 48,5 die Strecke auf einer stark befahrenen Straße von 80 m auf 248 m zu dem höchsten Punkt des Laufes ansteigt. Hier sieht man auch das erste Mal Brighton, allerdings ist auf den letzten 5,5 Meilen der grundsätzlich abfallenden Strecke noch ein kleiner aber fieser Zwischenanstieg zu überwinden. Am Ziel bekommt man eine nach der Zeit gestaffelte Gold-, Silber- bzw. Bronzemedallie. Habe mich wacker mit 9 Stunden und 12 Minuten geschlagen. Die Duschen sind vom Zielbereich etwa eine Meile bergauf entfernt. Dorthin, wo auch die Siegerehrung stattfindet, besteht ein guter Pendelbusverkehr. Die Urkunden und Zielfotos können dort auch in Empfang genommen werden. Alles in allem kann man sagen: Wer mit den erwähnten Nachteilen leben kann, sollte sich diesen schönen Ultra nicht entgehen lassen.

Michael Turzynski


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