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Donnerstag, 31.05.2012 | von: ce

Ulis erfolgreiche Einführung in die S-M-Szene

Wie sagte einst meine Hebamme? Die Schmerzen, die frau bei der Geburt eines Kindes verspürt, vergisst sie schnell.  Und erst, wenn sie mit dem nächsten  Kind in den Wehen liegt, kommt die Erinnerung schlagartig zurück und sie denkt: „Wie konnte ich mich nur wieder darauf einlassen…?!“  Dies ist eine kluge Einrichtung der Natur, die  dafür sorgt, dass die Spezies Mensch erhalten bleibt – und ähnlich muss es wohl auch zur Sicherung von Ultraläufen bestellt sein!

Denn wieso sollte ich sonst auf die Idee kommen, den Rennsteiglauf, den ich bereits vor 3 Jahren einmal in seiner lust- und schmerzvollen Länge von 72,7 km und einer Höhendifferenz von über 2000 m mit allen Höhen und Tiefen genossen, ertragen und erlitten hatte, erneut zu durchleben? Ganz zu schweigen von den Rennsteighelden, die die Profile ihrer Laufschuhe auf dieser Strecke schon 25 x und mehr geschliffen hatten!

Nun, es lag wohl daran, dass Uli diesen legendären Lauf noch nicht in seiner Sammlung verzeichnen konnte, und wir gemeinsam meine Premierenzeit von zehneinhalb Stunden verbessern wollten. Und dann war da noch der besondere Aufhänger, dass dieser Kultlauf in diesem Jahr sein 40. Jubiläum feierte und alle bisherigen Teilnehmerrekorde brechen sollte.

Recht kurzfristig, d. h. in der Nachfrist, als es schon keinen Aufdruck des Vornamens auf der Startnummer mehr gab, meldeten wir uns  einen Tag nach dem Hannover-Marathon an, fanden auch noch ein nettes Quartier in der Nähe von Eisenach. Nach meiner Erfahrung mit dem Quartier am Zielort Schmiedefeld, das zwar super bequem  was die Annehmlichkeiten nach dem Lauf angeht, war,  jedoch absolut unmenschlich hinsichtlich der „“Pre-Run-Phase“, die da bedeutete  mitten in der Nacht (1.30 h) aufstehen, 2:30 h frühstücken und 3:30 h Abfahrt des Busses nach Eisenach mit 1 ½ Std. Fahrzeit, wollten wir uns diesmal lieber etwas mehr Schlaf vor dem Lauf gönnen und dann im Ziel weitersehen.

Am späten Freitagnachmittag erreichten wir Eisenach, wo die Ausgabe der Startunterlagen stattfand. Schnell hatten wir unsere Laufwundertüten abgeholt und trafen Karl-Wolfgang B., dem ich auch vor 3 Jahren schon auf dem Rennsteig begegnet war auf unserem Weg quer über den Marktplatz zum Veranstaltungszelt, in dem die traditionelle Kloßparty stattfand. Wir waren ja schließlich im Land der Thüringer Klöße, warum sollte man sich hier ausländischer Teigwaren bedienen!

 




Im Zelt empfingen uns nicht nur  die schmissige Musik einer Liveband und der leckere Duft der Klöße mit Gulasch und Rotkohl (und „Bröggala“ in den Klößen) sondern auch viele weitere  bekannte Ultraprotagonisten wie  Sturmvogel und Felix aus Berlin, Didi E. und Falko H. aus Hamburg. In Sigis „Dunstkreis“ wie immer interessante Läufer, wie etwa ein Regensburger, der sich seinen Vollbart vor dem Essen sorgsam mittels Bartspange aus der Soße hielt, Günter, der gerne porschelos durch Gallien rennt sowie Kalle, der trotz der Tatsache, dass er seit 4 Jahren Dialyse-Patient ist, regelmäßig und mit Leidenschaft an Ausdauerläufen  teilnimmt. Er erzählte, dass sein erster,  langer Lauf im Alter von 16 Jahren   (vorher hatte er nach eigenen Aussagen nur die Bundesjugendspiele absolviert…) die 100 km von Biel waren, und er inzwischen 30 Mal an diesem Event teilgenommen hatte!











Ein anschließender Bummel durch die recht übersichtliche Fußgängerzone fiel leider ziemlich ins Wasser – oh nein, nicht schon wieder so ein Aquatotalerlebnis wie 2011 in Biel! So zogen wir uns auf eine Eiscremepasta unter der Marquise eines  italienischen Eiscafés zurück.  (Ein bisschen dolce vita muss halt auch in Thüringen sein!)  Durch die dichte Regenwand sichteten Ulis Augen dann unter dem Vordach des gegenüberliegenden Lokals ein weiteres, vertrautes Gesicht: Sveni P., unser Oldesloer Berglöwe, genehmigte sich nach den Klößen nochmal „richtige“ Pasta und ein gepflegtes Pils. Als wir inzwischen zusammen gerückt an einem Tisch saßen, erzählte er, dass er im Auto schlafen und vorher ins Kino gehen wolle. Also setzten wir ihn am „Capitol“ ab und fuhren zurück in unser Quartier, um auch zu unserem Rennsteig-Eve-Bierchen zu kommen und alle Vorbereitungen für die kurze Nacht und Ulis S-M-Premiere zu treffen. Er schien mir doch leicht nervös, was ich mit meiner Erfahrung in diesem Bereich zu kompensieren suchte.


Irgendwann, so gegen 4 Uhr morgens  ging dann der Wecker, und erneut wurde Ulis Geduld auf die Probe gestellt, bis ich endlich startklar und durch unsere „Lunchpakete“ inkl. Kaffee, die vor unserer Zimmertüre standen, gestärkt, bereit zur Abfahrt war.

In mehr als guter Zeit – ca. 20 min. vor 6.00 h, standen wir am Start und hatten noch genügend Zeit, um ein Erinnerungsfoto  mit Sylvia, Norbert, Renate und Maren aus Kaltenkirchen  zu schießen.



Der nächste Schuss war dann der für den Start. (War es eigentlich ein Schuss?) Die mehr als zweieinhalbtausend Teilnehmer stoben los, begleitet vom Applaus der so früh aufgestandenen Zuschauer durch die Straßen von Eisenach, den Schlossberg hinauf und dem Rennsteig entgegen.

Glücklicherweise hatte es seit dem Abend  nicht mehr geregnet – wir hatten schon Angst, man würde uns für Ultraveranstaltungen Startverbot geben, sollte es jedes Mal regnen, wenn wir teilnehmen… So lief es diesmal auch etwas zügiger auf den ersten Kilometern, auf denen  es sich 2009 wegen riesiger Pfützen und Schlammlöcher gestaut hatte. Das Wetter war kühl und trocken, also ideale Voraussetzungen für einen langen Lauf…






Uli hatte die Strecke sowie das Profil studiert und meinte, wie auch ich letztes Mal,  hätten wir erst einmal den „Großen Inselberg“ bei km 25 erreicht, dann wäre „der Rest“ dann gar nicht mehr so schlimm…

Wir kamen gut voran und ich freute mich darüber, dass auch diesmal an allen Verpflegungsständen durchweg freundliche und gutgelaunte Helfer standen, die wirklich alles gaben, was sie an Nahrung und Motivation zu bieten hatten. Und das war eine breite Palette von Wasser bis Bier, von Zitrone bis Bockwurst mit Brot und Senf sowie von aufmunternden Sprüchen bis Applaus, wenn sie die Hände mal frei hatten. Besonders gefreut hatte ich mich auf den berühmten Haferschleim in verschiedenen Geschmacksrichtungen und war gespannt, was Uli davon halten würde. Nun, er wurde für gut befunden, doch hielt sich Uli mehr an Limo, Cola, Zitrone und Schmalzbrot, während ich dem Schleimchen und dem Tee treu blieb (was meinem Magen später wohl besser bekam, als Ulis Wahl dem seinen).




Schon nach den ersten von gefühlten 73 Anstiegen (pro angefangenen Kilometer einer), holten mich die wie oben beschrieben verdrängten Erinnerungen wieder ein. Viele Steigungen zogen sich wie ein starkes Latexband nicht enden wollend und tückisch gespickt mit Wurzeln, Felsstücken und losem Geröll immer weiter nach oben. Zur Belohnung gab es viele atemberaubende (vielleicht waren wir das eine oder andere Mal ja schon vorher ohne Atem…) Ausblicke in eine traumhaft schöne, unberührte Landschaft. So ziemlich der einzige positive Aspekt der ehemaligen innerdeutschen Teilung ist für mich der einer durch die Lage dieses ältesten deutschen Höhenwanderwegs  entlang der Grenze wunderbar erhaltenen Natur.

Doch auch die vielen Gefällstücke machten dem Titel „größter Crosslauf Mitteleuropas“ alle Ehre: sehr steil, rutschig und mit zahllosen Stolperfallen ausgelegt. Konzentration war über die gesamte Strecke oberstes Gebot, und ich frage mich, wie ein Mensch, wie der Sieger 2012 die Distanz in sagenhaften 5:10 h in neuem Streckenrekord bewältigen kann…! Wenn wir an die 100 km von Biel dachten, die wir im letzten Jahr unter widrigen Bedingungen absolviert hatten, erschienen uns die 100 km viel einfacher als das, was wir hier erlebten – war das nun Laufschmerzalzheimer oder die Tatsache, dass man in Biel die Berge im Dunkeln nicht sieht oder doch aufgrund der Streckenführung und der Untergründe  richtig? Stürze gab es jedenfalls einige, wie wir an Läufern mit Schürfwunden und anderen Blessuren sehen konnten…






Recht gleichmäßig kamen wir voran. Nach 3 Stunden hatten wir den Großen Inselberg erreicht, knapp 49 km waren es nach 6 Stunden. Bei km 50 meinte Uli, unseren südtiroler Weltenbummler Hartmann zu erkennen, der sich, umringt von einigen Läuferinnen am runden Kilometerschild, fotografieren ließ. Knapp 5 km später trafen wir ihn am Streckenpunkt Grenzadler nahe Oberhof, an dem man übrigens offiziell den Lauf beenden kann. Nach kurzer Begrüßung und dem obligatorischen Foto  zog es uns jedoch alle weiter, schließlich lag ja nicht mal mehr ein Halbmarathon vor uns, also eine Strecke, nach der wir  bei manchem Marathon erst merken, dass der Startschuss schon gefallen ist!



Doch auch noch der höchste Punkt der Strecke, „Plänckners Aussicht“ bei km 61 am großen Beerberg, wollte erklommen werden, und selbst auf den letzten 8 km, die eigentlich nur noch „bergab“ gehen sollten, gab es einige kleine schikanierende Anstiege. Endlich kam der Skilift Schmiedefeld in Sicht und man konnte fast schon den Duft der Thüringer Bratwürste vom Rost von der Festwiese riechen…






Jetzt hieß es nur, keine Flugeinlage auf letzten 200 m wie bei meiner Premiere. Doch – fast wieder ein Unglück, da eine Teilnehmerin meinte, sie müsse sich auf eben diesem letzten Stück ihren Hund, einen stattlichen Collie quer über den Laufweg reichen lassen, um mit ihm das Ziel zu erreichen. Also, kurze Vollbremsung und hinter dem Tier-Mensch-Gespann die abschüssige Gasse hinab ins Ziel – und -geschafft!   In 9 Stunden und 9 Minuten habe ich auch Uli begeistern können – trotz oder vielleicht auch wegen aller Quälerei.

Willkommen im S-M-Finisher-Kreis, Glückwunsch, auch Du bist jetzt ein Rennsteigläufer!


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3 Kommentare

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Nr. 1   Karl Wolfgang Baumgarten schrieb am 01.06.2012 - 13:06 email

Schöner Fotobericht und Glückwunsch Euch beiden zu der Laufzeit 6 Tage nach dem Hannover Marathon. In der Zeitung zum Rennsteiglauf wurde Klaus Duwe (Macher des Internetportals Marathon4you.de) wie folgt zitiert: "Du kannst überall auf der Welt gelaufen sein - wenn Du den Rennsteiglauf noch nicht gemacht hast kannst Du nirgendwo mitreden !" Insofern Uli kannst Du nun auch mitreden !!

Karl Wolfgang

Nr. 2   Hartmann Stampfer schrieb am 01.06.2012 - 17:56 email homepage

Hallo Uli, nachdem ich von euch gehört habe, ich habt auch noch andere Hobbys ;-)) und den Titel schnell überflogen hatte. S-M-Szene habe ich schon das Allerschlimmste befürchtet ;-))))))

übrigens die drei Mädels hatten nichts mir mir am Hut beim 50er Schild ;-)), die wollten auch nur die Super-Marathon-Szene kennen lernen!!

Nr. 3   Claudi schrieb am 14.06.2012 - 21:54 email

Hallo Ihr beiden Kommentatoren,

 

wenn auch spät, wollte ich mich nach überstandenen IT-Problemen doch trotzdem noch für Euer Feedback bedanken und Euch vor allem beglückwünschen, denn

Du, Karl Wolfgang, hattest ja auch gerade in Hannover eine Hammer-Zeit hin gelegt

und Ihr beide habt ja scheinbar diesen Kultlauf nur eben mal als Trainingslauf für die 100 km von Biel "mit genommen". Glückwunsch von uns für Euer Finish bei diesem weiteren Kultlauf! (Der steht bei uns übrigens nach unserer Regenpremiere im letzten Jahr auch nochmal auf der Wunschliste - aber dann nur bei Mondschein und Sternenhimmel! :-)

Viele Grüße

Uli und Claudi