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Mittwoch, 23.07.2008 | von: mw

24 Stundenlauf in Delmenhorst 5./6.07.

Wie alles im Leben haben größere Ereignisse immer eine Vorgeschichte.
So ist es auch bei meinem ersten 24 Stundenlauf, den ich nun vorhabe in Delmenhorst zu laufen. Da ich ja nun in der Marathon und Ultraszene ein nicht mehr ganz Unbekannter bin, erhalte ich vom MC 100 Mitglied Rolf  Frank aus Hohenaspe eine Email mit der Anfrage, ob ich auch am 1. Mai mitlaufen wolle bei seinem Gruppenlauf über 50 Km. Meine Mail zurück ist ja eigentlich eine Absage, da ich zu Rolf sagte: Rolf ich laufe am 27.4. Hamburg Marathon, da laufe ich doch 5 Tage später keine 50 km , - ne Rolf das vergiss einmal. Als alter Ultra lässt Rolf nicht locker und meint: Helmuth stell dich nicht so an, Andere laufen auch Hamburg und 5 Tage später bei mir, also ran an den Speck.
Das mit dem Speck hat mich dann doch geärgert, wo habe ich denn Speck?? Alles hart erarbeitete Muskeln!!   Nun gut wenn Du das so sagst Rolf dann komm ich, aber jammere nicht herum, wenn ich das nicht schaffe.

Der Lauf verläuft für mich so gut, dass ich bei Km 44 so richtig in Schwung komme und bei km 49 sogar noch Power habe für einen Endspurt, also von dem befürchteten Problemen keine Spur.

Sofort kommt mir der Gedanke, da könnte noch mehr drin sein. Nun erkundige ich mich bei etlichen Ultras bezüglich meines Vorhabens, was besser wäre: erst einmal einen 100er oder einen 24er zu laufen. Überwiegend bekomme ich den Rat es mit einem 24er zu versuchen, denn egal wie viel ich da laufe, meinen Pokal und Urkunde bekomme ich dann jedenfalls, unabhängig von der gelaufenen Distanz. Wogegen ich dann beim 100er, wenn ich nicht im Zeitlimit bin oder bei Km 95 aussteige, gar nichts bekomme und in ein tiefes Loch  fallen könnte. Als dies mir dann von der Klasse Läuferin Marianne Dahl auch noch bestätigt wird, steht mein Plan fest. Außerdem, Frauen soll man ja nicht wiedersprechen!

Nun wäge ich selbst ab, was ich alles so gemacht oder auch gelaufen habe in letzter Zeit und ob ich auch schon reif bin für so einen Lauf. Seit Hamburg 2003, 35 Marathons auf dem Läuferkonto, darunter 3x Georgsmarienhütte den Nuller, 2x die 6 Stundenläufe in Ellerdorf. Wobei ich beim letzten Nuller 2007 mich 2x richtig schön verlaufen habe und nach fast 8 Stunden alleine immer noch am Laufen war. Wer den Nuller kennt, der weiß auch, dass er für selbst erfahre Marathonis kein Spaziergang ist. So denke ich mir, wie hatte Rolf gesagt: Ran an den Speck!

Also muss nun ein 24 Stundenlauf her. Fündig werde ich da in Delmenhorst. Melde mich dann auch pünktlich an und laufe 1 Woche vorher noch in Löningen den Hasetal Marathon. Da Löningen nicht weit von Delmenhorst entfernt liegt, kann ich ja schon einmal die Luft hier schnuppern. Auch in Löningen habe ich dann einen sehr schönen Lauf mit einer tollen Organisation gehabt. 3 Tage vorher ruft mich Christel Kunze aus Hamburg an, sie hätte von Lothar Gehrke erfahren, dass ich in Delmenhorst laufen werde, ob ich sie mitnehmen könne. Meine Zusage hat sie und wir vereinbaren, dass ich sie Samstagmorgen in Hamburg Neugraben abhole.

Nun habe ich ja Schichtdienst im Hamburger Hafen und ich arbeite seit über 15 Jahren in der Spätschicht. Diese geht von 15.00 Ihr bis 23.10 Uhr. Zu 90 % arbeiten wir aber niemals so lange.
Wir haben dort so eine Art Leistungssystem im Containerumschlagsbereich bei der Schiffsabfertigung wonach wir eine bestimmte Anzahl von Containern zum Be-, und Entladen der Schiffe bekommen. Zu 90 % funktioniert das gut und wenn das Programm gut aussieht, habe wir meist schon um 20.00 Uhr Feierabend. Dies hatte ich mir auch für den Freitag den 04.07.08 erhofft, der Tag vor Delmenhorst.
Nun wird ja jedem Laufkenner klar sein, dass dieser 24 Stundenlauf schon seit Tagen in meinen grauen Zellen beherbergt war.

Ausgerechnet an diesem Freitag sollte es anders kommen. Um es kurz zu fassen, ich hatte erst um 22.45 Uhr Feierabend. Dann noch 45 Min. Fahrt nach Hause. Um 01.00 Uhr am 05.07. in die Heija und um 06.30 Uhr wieder arriba! Allerdings sehr gut geschlafen!

Das meiste hatte ich ja schon eingepackt, so musste ich nur noch mein Reisebett verstauen und nach einem kleinen Breakfast ging es dann um 07.30 Uhr nach Hamburg. Christel Kunze war zuverlässig und steht schon an der S-Bahn Neugraben pünktlich, wie vereinbart - eben eine Ultra - Marathoni.

So fahren wir dann gemeinsam nach Delmenhorst und treffen dort um 10.00 Uhr ein. Nachdem wir unsere Startunterlagen abgeholt haben, suchen wir uns ein Quartier. Jörg Koenig ist schon da mit seiner Frau und hat auch schon sein Lager aufgeschlagen. Wir gesellen uns ebenso in die kleine Sporthalle oder Schule direkt am Start. Platz ist noch genug und so können wir uns es gemütlich machen.

Hier herrscht mittlerweile ein emsiges Treiben zwischen Läufern, Organisatoren und Zuschauern.
So langsam geht der Uhrzeiger auf die magische Zahl 12, unseren Start. Na, denke ich mir, jetzt ist ja noch alles in „Butter“, nach 12 werde ich in eine andere „Welt“ für 24 Stunden eintauchen. Dann gibt es kein zurück nur noch das Vorraus. Jörg Koenig treffe ich und er meint, ob ich schon nervös sei? Warum das denn? meine ich zu ihm. Neugierig bin ich auf das, was Heute auf mich zu kommt, aber doch nicht nervös, ist doch nur ein Lauf. Er meinte irgendwann so bei Km 60, 70 oder 80 könne dann der Punkt kommen, wo man gar keine Lust mehr hat und sich fragt, warum mache ich das hier eigentlich überhaupt. Jedoch habe ich schon seit einiger Zeit festgestellt, dass diese Gedankenkombination schon seit etlichen Marathons nicht mehr aufgetaucht ist.
Anderseits hat Jörg ja vielleicht Recht und das geht nachher richtig los. Andere haben mir von ihren Kreislaufproblemen und Magenkrämpfen und und und erzählt. Tja habe ich dann still gedacht, was haben die denn nur für merkwürdige Bodys.
Behandelt man einen Körper ordentlich, dankt er einem das auch - so denke ich darüber. Kleine Fehler verzeiht er einem dann auch.  Bei so einem Unternehmen sollte sich alles im Einklang befinden: Soul and Body, dann kann eigentlich nichts schief gehen. Das Schönste an vielen Dingen ist ja einmal eine Vorfreude auf das, was auf einen zukommt und wenn das alles besser läuft wie erwartet, ja was will man mehr?
Ein altes Sprichwort besagt: Was lang wird, wird auch gut.

Somit sind wir nun endlich bei meinem ersten 24 Stundenlauf angekommen.
Nun stehen da 80 Marathonis/Ultras am Start und warten auf die Freigabe zum Lauf. Ehrlich gesagt ist es für mich ein Start, wie jeder andere auch, lediglich versuche ich von Anfang an meine Laufgeschwindigkeit unter Kontrolle zu halten, um nicht zu schnell am Anfang zu sein.
Pläne sollte man ja immer irgendwelche haben, es kommt ja meist eh sowieso anders, aber das Anfangskonzept sollte stehen. So habe ich mir die Strecke oder Stunden ein wenig eingeteilt in Halbmarathons. Nachdem ich einen gelaufen habe, werde ich 15 Minuten Stop machen. Davon 5 Minuten die Füße hoch und dann weiter. Der Rundenzähler läuft zwar, jedoch die Anzeige hängt irgendwie fest. Vom Einzelläufer Betreuer Karl-Ludwig Rittel wird uns dies garantiert und so gegen 15 Uhr soll die Rundenanzeige wieder funktionieren. Also das mit meinen Halbmarathons funktioniert dann so nicht. Die Runden zu zählen per Hand hab ich echt keinen Bock zu und so vertraue ich einfach den Worten von K.-L. Rittel. Vor dem Lauf gab Jörg Koenig mir noch den Tipp, den ersten Marathon nicht unter 6 Stunden zu laufen. Also disponiere ich um und teile mir die Strecke zunächst einmal in den 3 Stundentakt auf. Der Start ist sehr angenehm, keine Hektik, alle sind sehr locker und entspannt und es kommt eine gute Atmosphäre in den Lauf. Die Strecke ist wunderbar durch einen Park 1,3 km Rundkurs. Meinen Rhythmus habe ich bald gefunden und ich fühle mich prächtig. So um 15 Uhr gehe ich dann einmal für 15 Min. planmäßig von der Piste an mein Bett.  Meine Füße lege ich, wie geplant, für 5 Minuten an einem Stuhl hoch. Ein anderer Ultra fragt mich, ob ich Kreislaufprobleme habe oder so wegen der Hitze. Den kann ich dann beruhigen, da dies zu meinem persönlichen Plan gehört, danke für die Nachfrage, aber ich bin gut drauf. Ist aber dann doch ein gutes Gefühl, wenn man feststellen kann, dass dies Anderen einen auch beobachten, in welchen Zustand sich einer befindet, also man ist doch nicht alleine! Schon ein beruhigendes Gefühl. Als ich mich dann wieder auf die Piste begebe, kann man auch wieder auf dem Bildschirm seine Runden und Km sehen, die man bisher geleistet hat. Das ist ein für mich sehr, sehr wichtiger Faktor!
Inzwischen hat man auch den Einen oder Anderen wiedergetroffen, mit dem man schon andere Marathons zusammen gelaufen ist. Es kommen nette Gespräche auf und man merkt gar nicht, dass man läuft. Ein Glück, dass der Rundenzähler gute Arbeit leistet. So treffe ich Hans Albert Henne und seine Frau Sylvia, beide Zahnärzte aus Cuxhaven, Hans-Werner Rehers, ein Augenarzt aus Osnabrück und auch Unicev Botschafter und viele andere Bekannte von der Piste. So werden alle nervös, als sie feststellen, dass an meinem rechten Reebok Laufschuh sich die Sohle im Fersenbereich löst. Es ist unglaublich, mit diesen Schuhen laufe ich seit dem 18.04.2004. Heute meinen 16. Marathon/Ultra.
Total mit Trainingsläufen habe ich mit diesen Reebok Cushion 1.827,1 km gelaufen. Es ist kurz vor 18 Uhr und ich habe echt Stress, alle zu beruhigen, dass ich die gleich austauschen werde. Nun wollte ich ja mit diesen Schuhen noch einen Mara. laufen, so dass ich 16 voll habe. Hätte die Sohle sich bei km 30 oder so gelöst, gar keine Frage hätte ich die Schuhe sofort gewechselt. 3 Paar hatte ich sowie so dabei und mich schon gewundert, wie lange die noch halten.   

An Jörg Koenigs Zeitplan habe ich mich leider nicht ganz halten können, war doch etwas zu schnell, trotz meiner kleinen Pause von 15 Min. hatte ich um genau 17:50 Uhr 42,9 km also 33 Runden gelaufen. Pause Nr. 2 war angesagt und dann auch der längst fällige „Reifenwechsel“. Nun war ich wieder im Rennen und fühlte mich eigentlich auf der Strecke ganz wohl. In Runde 40 bei Km 52,0 bekam ich dann irgendwie ein stolzes und auch zugleich neugieriges Gefühl. Erstmals in meinem Läuferleben begab ich mich auf ein unbekanntes Terrain. Nun Herr Kohl jetzt geht es ans Eingemachte sagte ich mir, nun wird es interessant. So kurz vor 21 Uhr sprach es sich herum, dass man nun auch etwas warmes zu Essen bekam. Dies passte ja wieder einmal in meinen Plan. So legte ich einmal wieder eine Pause ein, meine planmäßige 3. und hatte um 21:15 Uhr nach 62 Runden stolze 61,1 km auf meinem Konto. Dies war dann auch der 3 Platz in meiner AK, den ich auch den ganzen Tag schon verteidigen konnte. Nun hatte ich ja ein kleines Problem. Es war mir aufgefallen, dass ich nach anstrengenden Marathons oder auch langen Trainingsläufen kaum etwas essen konnte. 1 Stunde später ok., aber unmittelbar nach dem Lauf no possible senior. Was nun!? Hunger hatte ich ja und außer Frühstück und all die kleineren Sachen an den Verpflegungsständen hatte ich ja nichts gegessen. Also entschloss ich mich dann doch für Bandnudeln mit Brokkolisoße. Hmmmm lecker kann ich nur sagen.
Ein Erdinger Alkoholfrei dazu, köstlich. Nach dem Motto entweder oder habe ich dann erst einmal mein Festmahl genossen. Mein Body wird ja ansonsten gut behandelt und mein Magen spielte an diesem Tage auch mit und Nudeln mit Brokkolisosse und Erdinger haben sich auch vertragen. Überhaupt hatte ich den Eindruck, mein ganzer Körper hat sich total auf diesen Lauf eingestellt. Nirgendwo Alarmmeldungen, all engines running und überall grünes Licht. Irgendwo zwischen Km 60 und 70 traf ich mal wieder Jörg Koenig und er fragte mich nach meinem Befinden. "Du Jörg, ich find das hier echt Spitze, das Wetter gut, schöne Strecke, gute Verpflegung, nette Leute. Helmuth hast du denn gar keine Probleme bis jetzt?", fragte Jörg. Ne überhaupt nicht, ich fühle mich echt gut und es macht mir richtig Spaß. "Das ist ja ein Ding, Mensch Helmuth, du bist ja der geborene Ultralangsteckenläufer". Diese Feststellung hat mich natürlich gefreut, aber nicht sehr überrascht!
Beim Nudelessen hatte ich die nette Bekanntschaft mit Torsten Birnbach aus Hamburg gemacht. Er ist Polizist beim Wasserschutz in Hamburg und hat seine Dienststelle direkt neben meinem Arbeitsplatz am Burchhardkai bei der HHLA im Hamburger Hafen.

Es war mir auch aufgefallen, dass wir einen blinden Läufer dabei hatten. Dieser wurde geführt von einem anderen Läufer. Beim vorbeilaufen hatte ich beide des öfteren begrüßt und auch gelobt.
Bei dieser Nudelpause wurde dann Torsten Birnbach gefragt, ob er für ein paar Runden den blinden Läufer im Lauf führen möchte. Torsten, ein ganz netter 2 Meter Mann, wollte dies natürlich. Irgendwann nach Torsten fragte man mich ebenso für diesen Dienst, na klar mache ich das, gar keine Frage! Nach kurzer Absprache der Zeichen liefen wir zusammen los. An meiner rechten Hand hatte ich eine kleine Schnur, die mich mit Jeffrey verband. Wie sich herausstellte, war Jeffrey Amerikaner.
Nun, unterhalten tue ich mich ja gerne und wer mich kennt, weiß bei mir kommt keine Langeweile auf. Als Jeffrey sagte, er sei Amerikaner und komme aus Texas, erwiderte ich ihm, dass ich auch schon in Texas war und zwar in Galvestone und Houston. Was sagte er dann: "das gibt es doch nicht. Ich bin in Galvestone geboren". Da hatten wir beide natürlich ausreichend Gesprächsstoff und ich weiß gar nicht mehr genau, wie viele Runden ich ihn geführt hatte. Es müssen so 3 - 4 Runden gewesen sein. Jedenfalls sagte er mir, dass er so um 21 Uhr seine Freundin erwarte, da er sich mit ihr verabredet habe. Tatsächlich stand um 21 Uhr eine nette junge Dame an der Strecke, begrüßte mich ganz freundlich, bedankte sich für die Führung ihres Jeffreys und übernahm diesen dann auch. Auch Jeffrey bedankte sich bei mir und ich setzte meine Runden fort.

Mein Plan war ja eigentlich der, bis 100 km durchzulaufen, dann mich hinlegen zum Schlafen und dann kommt, oder was ich dann noch laufen kann, ist ein Geschenk.

Mittlerweile hatte ich meinen Plan dann doch etwas verändert. Dies hatte 2 Gründe: Wenn man die 100 km Linie überschritten hat, bekommt man ein Schild/Flagge mit der Aufschrift 100km. Das geht dann so weiter mit 125km, 150km, 175km, 200km usw.
Nun hatte ich mir ausgerechnet, dass wenn ich mit meinem derzeitigen Tempo (um 21:15 Uhr war ich bei 61,1 km angekommen) weiter laufe, bin ich um ca. 3 oder 4 Uhr bei der 100km Marke. Dann sieht außer meinen Mitstreitern keiner meine Leistung. So hatte ich dann beschlossen, den 2. Marathon Heute auch nicht zu beenden und dann ein wenig zu schlafen. Kurz nach 1 Uhr war ich dann bei Km 81 angekommen und doch schon ganz schön müde. Mein vorrangiges Ziel war ja, die 100km Marke zu knacken, und der Rest ist dann eine Zugabe. Also sagte ich mir, 2 Marathons innerhalb von nur 13 Stunden ist mehr als genug und ich sagte mir, ich mache lieber eine Pause, wenn ich mich noch gut fühle, als wie wenn ich ganz kaputt bin. Bekanntlich lädt sich ja eine Batterie mit Restspannung schneller auf, als wenn sie ganz leer ist!!
Außerdem merkte ich doch das Minus an Schlaf der Nacht von Fr. auf Sa.

An meiner Schlafstelle angekommen bemerkte ich gleich einen anderen Leidensgenossen, der etwas gekrümmt auf den Knien lag und seinen Kopf in beiden Händen hielt. Ansprechen wollte ich ihn nicht, weil ich ihn nicht stöhren wollte und selbst auch schon etwas geschafft war. Nun ging ich erst einmal zum Duschen. Heißes Wasser, oh wie tat mir das gut!! Ich fühlte mich wie neugeboren, nur die Schmerzen in den Beinen erinnerten mich daran, dass ich doch nicht mehr so taufrisch war!
Als ich zurück zu meiner Schlafstelle kam, war dort schon ein Sanitäter vor Ort. Nun war an Schlafen erst einmal nicht zu denken. Laufend ging die Funke der Sanis an und die war sehr laut eingestellt.
Jedenfalls irgendwann so gegen 3:30 Uhr war dann Ruhe und ich konnte etwas schlafen.
Um 5:30 Uhr wurde ich wieder wach und hatte doch gut geschlafen. Als ich aufstand und die Schmerzen in meinen Beinen verspürte, dachte ich mir, nee, wie ich mit diesen Beinen Heute noch einen Halbmarathon laufen soll, das ist mir jedenfalls so nicht klar. 19 km fehlten mir noch zu der magischen 100 km Marke. Dann traf ich Jörg Koenigs Frau Heide und sie sagte zu mir: "Helmuth laufen kannst du, aber fange ganz, ganz langsam wieder an, der Rest kommt von selbst".
Wie Recht sie doch hatte. Nach einem kleinen Frühstück ging es dann wieder auf die Piste.
Ich war so langsam, dass mich sogar die Walker mit ihren Stöcken überholten. Jedoch wurde nach nur einer Runde aus meinen Fortbewegungsversuchen wieder ein richtiges Laufen.
Meinen neuen Freund Steffen traf ich dann wieder auf der Piste. Steffen ist ein 42 jähriger netter Kerl von fast 2 Metern und einem Body wie Ralph Möller. Wenn der einen Schritt macht, mache ich zwei.
Er hatte gar nicht bemerkt, dass ich 4 Stunden gar nicht auf der Piste war, da er sich selbst für 2 Stunden hingelegt hatte. Wenn er ging und ich an ihm vorbei lief, sagte er ein par Mal: "Unglaublich, was der Helmuth für eine Energie hat, so möchte ich mit 61 auch noch drauf sein". Wenn ich dann einmal eine Gehpause einlegte und er an mir vorbeizog, entschuldigte er sich immer und meinte: "Sorry Helmuth, aber im Moment bin ich gerade mal wieder gut im Schwung". "Steffen" sagte ich, "weiter so, jeder läuft hier sein Ding". Gespräche zweier Ultras so bei km 90 – 95. Ein anderes Mal sagte er, "Helmuth ich freue mich so für dich, wenn du die 100 km gleich knackst". So motivierten und unterstützten wir uns gegenseitig und es tat uns auch gut. Man war nicht alleine. Überhaupt, wer nach 20 Stunden noch am laufen ist, gehört schon ganz klar zu den Guten. Da ist es nebensächlich, ob du bei Runde 80, 90 oder 100 bist. Du bist einer von ihnen und gehörst dazu, „abgerechnet“ wird später.

So gegen 10 Uhr näherte ich mich der magischen 100 km Marke. Ein tolles Gefühl stieg in mir hoch, nichts von kaputt oder, das hier nie mehr!, war zu verspüren. Die Sonne schien, es waren angenehme Temperaturen und mein Plan mit der Flagge 100km vor Publikum (meinem Publikum) zu laufen, sollte sich in wenigen Minuten erfüllen. Man bekommt die Flagge und hat dann exakt 100,1 km gelaufen. Dies war dann so um 10 Uhr. Diesen Triumph über mich selbst musste ich natürlich mit „meinem Publikum" feiern! Also wird noch eine Ehrenrunde gelaufen!! Jörg Koenigs Frau Heide stand an der Piste und gratulierte mir zu meinem Erfolg. Dann kam die Ehrenrunde. „Meine Fangemeinde“ enttäuschte mich nicht und ich wurde auch von anderen Läufern beglückwünscht zu dem Erfolg, - eben eine Family.
Nach der Ehrenrunde gab ich meine 100er Flagge wieder ab und lief einfach weiter. Eigentlich sollte dies dann auch meine letzte Runde sein! Angekommen am Verpflegungsstand, war auch Heide wieder da ich sah auf die Anzeige und ich sagte zu ihr: "79 Runden und 102,7 km ist ja ne blöde Zahl". Dies meinte Heide dann auch und ich entschloss mich noch eine zu drehen.
Das Ergebnis war dann 80 Runden, 104,0 Kilometer und Gesamtplatz 50. Also alles zusammen eine runde Sache. Positiv stellte ich fest, ich hätte sogar noch weiter laufen oder auch gehen können.
Dies war jedoch nicht wichtig für mich, die Zahl hinter 100. Wichtig war über 100 gekommen zu sein, dies ohne Verletzung, noch nicht einmal eine Blase gelaufen, obwohl ein paar Schuhe/Sohle den „Geist“ aufgaben. So hörte ich um 10:20 Uhr auf mit der Erkenntnis, immer noch nicht das Ende meiner Laufreserven gefordert zu haben und dass dies hier mein erster 24er, aber nicht mein letzter sein sollte. Wie es geht, weiß ich nun und nun geht es ans Eingemachte!

Die Dusche danach war herrlich und ich packte zusammen mit Christel Kunze schon einmal alles zusammen und verstaute es schon einmal im Auto. Dann genehmigten wir uns ein schönes Eis und wir warteten auf das Ende des Laufes um Punkt 12:00 Uhr.

Mein Freund Steffen kam überglücklich und den Tränen nahe an und hatte um genau 12:00 Uhr über 156 km gelaufen. Als er mich sah, umarmte er mich und rief: "Helmuth, dass ich Heute hier so viel gelaufen bin, das ist auch zum Teil dein Verdienst, immer wenn du an mir vorbei bist, hat mich das wieder motiviert, weil du gelaufen bist, wie ein Uhrwerk, immer gleichmäßig. Auch, dass du die 100 km geschafft hast, freut mich sehr".
Auch ein sehr schöner Zug von ihm, so ließ er mich vor den Anderen an seinem Erfolg teilhaben.
 
Wir fuhren dann nach Hause, Christel Kunze brachte ich noch nach Neugraben zur S-Bahn und zu Hause wurde ich von meinen 3 Frauen mit einer Flasche Sekt begrüßt. Nach einem guten Essen ging ich dann ins Bett und konnte sehr, sehr gut schlafen.

Fazit des Ganzen:
Nach guter Vorbereitung, geordnetem Lebensstil, sind Ultra-Läufe ein Gewinn für Körper und Seele.
All meinen Bekannten und Arbeitskollegen sage ich immer: Jungs, Leute, dass ich älter werde, kann ich nicht verhindern, aber wie ich älter werde, das kann ich jedenfalls beeinflussen.

Ausprobieren und an die Leistungsgrenze herangehen ist ein persönliches Abenteuer. Die Leistungsgrenze überschreiten ist jedoch schädlich. Wer das begreift und praktiziert, kann Marathons bis ins hohe Alter von über 80 betreiben.
Kein Geringerer als Horst Preisler hat zu mir gesagt: "Höre in deinen Körper und höre auf deinen Körper". Wer das richtig beherzigt hat auch im Alter noch sehr viel Spaß am Sport!

Heinz Helmuth Kohl   
     
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5 Kommentare

Seite 1 von 1 1

Nr. 1   Klaus Bangert schrieb am 23.07.2008 - 10:35 email

Gratulation !!

 

Das hat Stil !! Big Grins

Nr. 2   Claudi schrieb am 23.07.2008 - 22:12 email

Dein Kommentar

Super Herr Bundeskanzler - klasse gemacht, Helmuth!

Gruß aus Kaltenkirchen

Nr. 3   Gunla Eberle schrieb am 25.07.2008 - 16:49 email

Dein Bericht ist lesenswert, Helmuth!

Du hast es einem wirklich schmackhaft gemacht, "auch mal ein erstes Mal" einen 24 - Stundenlauf zu bestreiten! Ich freue mich natürlich auch über deine tolle Leistung! Super!

Viele Grüße aus Hittfeld! Razz

Nr. 4   christel schrieb am 26.07.2008 - 12:18 email

Ein schöner Bericht ! Mein nächster 24er steht schon wieder fest !

Schöne Grüße aus dem heißen Hamburg !

Nr. 5   Gunla Eberle schrieb am 12.08.2008 - 23:44 email

Mr. Green Mr. Green Mr. Green Liebe Läufer, es ist mein Jammer, dass Helmuths Laufleistung bei einem 24-Stunden Lauf so wenig Beachtung geschenkt wird! Nein, Kommentare auf der Homepage des 100 Marathon Clubs sind wichtiger, ja so viel wichtiger, dass man sie löschen muss, wenn der Inhalt der Wahrheit entspricht. Evil