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Freitag, 10.06.2011 | von: mw

Knastmarathon Darmstadt

Mit Peter vom Lauftreff war ich in den vergangenen Jahren öfters unterwegs und er brachte mich im Herbst auf die Idee, dieses Jahr im Knast zu laufen. „Da bin ich natürlich dabei“ meinte ich damals. Leider haben wir uns in der Folgezeit nicht mehr so oft gesehen und plötzlich wollte Peter auch nicht mehr in den Knast. Ich allerdings, hatte diese Veranstaltung inzwischen in meiner Planung und somit wollte ich dort auch hin. Als ich Mitte März mit einigen Laufkollegen nach dem Gedächtnislauf von Würzburg nach Gemünden im Zug zurück nach Würzburg saß, sprachen wir auch über unsere Pläne. Ich sprach vom Knast Marathon und wurde gefragt, wann ich mich angemeldet hätte. „Noch nicht, mache ich in den nächsten Tagen“. Dass der Lauf schon seit Monaten ausgebucht war, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Aber Fragen kostet ja bekanntlich nichts und vielleicht gibt es ja eine Warteliste. Per e-Mail frage ich an. Drei Tage später finde ich in meinem Posteingang ein e-Mail von René, der am 14. Mai in Schmiden am 6 Stunden Lauf teilnehmen wird: „Könntest Du mir evtl. ein bescheidenes Plätzchen für die Nacht zum Sonntag zur Verfügung stellen? Mache mich dann gleich morgens auf den Weg zum Knastmarathon Darmstadt“. Na das ist ja lustig denke ich und kann das ein Zufall sein? Eine Woche später erreicht mich die frohe Kunde aus der JVA in Darmstadt:
„Hallo Herr Weber, dann nehmen wir Sie noch ins Starterfeld!“.

Einen Doppeldecker will ich mir aber nicht antun und so fahre ich am Samstag Nachmittag nach Schmiden, um René dort abzuholen. Gemeinsam fahren wir am nächsten Morgen nach Darmstadt.  

Der Marathon in der Justizvollzugsanstalt Darmstadt Eberstadt findet bereits zum 5. Mal statt. Hier sitzen etwa 600 Sträflinge ein, nur Männer. Der Marathon ist ein Teil eines Resozialisierungsprojektes. Über ein halbes Jahr konnten sich die interessierten Häftlinge einem Trainingsprogramm unterziehen mit dem Ziel, diesen Marathon auch durchzuhalten. 49 hatten sich angemeldet, 21 hielten durch bis zum Schluss. Neben Teilnehmern aus anderen Haftanstalten dürfen auch rund 150 „normale“ Marathonis, die man hier als „Externe“ bezeichnet, also Läufer von „draußen“, teilnehmen.

Als ich mit René gegen 8:20 Uhr am Gefängnis ankomme, warten schon eine handvoll Teilnehmer auf den Einlass, doch man lässt uns bis fast 9:00 Uhr warten.

Dann dürfen wir rein in den Knast, aber immer nur fünf auf einmal.

Drinnen muss der Ausweis abgegeben werden und man bekommt quasi als Ersatz ein farbiges Band um das Handgelenk, das uns als Teilnehmer kennzeichnet. Es geht ein paar Stufen die Treppe hoch, dann erfolgt die Gepäckkontrolle und Leibesvisitation, wie man es vom Flughafen her kennt. Handys und Fotoapparate mussten von vornherein draußen bleiben oder eingeschlossen werden. Und noch eine Hürde haben wir zu überstehen. Ein Hund schnüffelt uns nach Drogen ab. Da keine Unauffälligkeiten auftreten, dürfen wir nun endlich in den Gefängnishof. Das Startbanner ist bereits zu erkennen, alles wichtige für uns ist in unmittelbarer Nähe, wie das Zelt für die Startnummernausgabe, der Verpflegungsstand, Toiletten und Umkleiden. Wir haben noch Zeit, es herrscht keine Hektik. Da stört es auch niemanden, wenn aus dem Lautsprecher verkündet wird, dass sich der Start um 15 Minuten verzögert, da noch nicht alle Teilnehmer die Sicherheitskontrolle hinter sich haben.

Die Leistungen bei nur 20 Euro Startgebühr sind enorm. Im Umschlag mit den Startunterlagen befindet sich nicht nur eine in Umfang und Größe unserem Clubheft vergleichbare Broschüre, die das Marathon Projekt mit zahlreichen Farbfotos und Trainingsplänen beschreibt, sondern auch eine sehr ansprechende Startnummer, die man am eigenen Lauftrikot befestigen kann oder aber man kann gleich mit dem ebenfalls beigelegten persönlichen Funktionsshirt laufen, denn die selbe Startnummer ist dort bereits aufgedruckt.

Dann geht es los. 1,758 km misst eine von 24 zu laufenden Runden, vermessen vom hessischen Leichtathletikverband. Da ja eigene Fotoapparate oder Handys verboten sind, folgen nun Veranstalterfotos, die frei verwendet werden dürfen. Vielen Dank an den Veranstalter für diesen erstklassigen Service.

Zwar stehen nicht alle Clubmitglieder, die ich in der Starterliste entdeckt habe, am Start, aber dennoch sind es einige, die ich hier kurz vorstelle in der Reihenfolge ihres späteren Zieleinlaufes. Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen.

Thomas aus Grafschaft läuft 3:49:04.
 
René aus Geesthacht hatte nach dem Schmidener 6-Stunden Lauf bei mir übernachtet und fast während der ganzen Autofahrt geschlafen, dies scheint sich auch beim Lauf fortzusetzen. Dennoch erreicht er eine gute 3:51:30.

Michael aus Stuttgart, der Autor dieses Berichtes, kommt nach 4:21:05 ins Ziel. Der Mut, die letzten Meter durchzulaufen, hatte gefehlt, denn die für den Ziel-60 passende 4:18 wäre sehr knapp geworden und 4:19 und 4:20 waren bereits vorhanden. Also warten auf die nächste Lücke.

Manfred aus Dornhan hatte auch die 6-Stunden von Schmiden in den Beinen, hätte mich trotzdem fast noch erreicht. Seine Zeit: 4:22:19.

Daniel aus Weinheim kommt gehandicapt nach 4:31:27 ins Ziel.
Marion aus Darmstadt hat hier quasi ein Heimspiel, trainiert sie doch in den Wäldern rund um diese Haftanstalt. Am Ende kommt sie in 4:31:56 knapp hinter Daniel ins Ziel.
David aus Dortmund folgt wenig später in 4:33:24.
Aus Hamburg angereist ist Erika, unsere Statistikerin. Auch sie bleibt in 4:51:09 klar unter der 5 Stunden Marke.

Nun zum Lauf selbst:

Unsere Kleidung wird in einer bewachten Zelle aufbewahrt in sehr groß dimensionierten weißen Kleidersäcken, die mit einem Kleiderbügel aufgehängt werden.

Reichlich Verpflegung gibt es bereits vor dem Start. Belegte Brötchen, Kuchen,... Es fehlt an nichts. 

Der Marathonkurs umfasst nur rund einen Kilometer Lauffläche, denn im wesentlichen besteht eine Runde aus hin und zurück. Anhand der Bilder versuche ich mal, die Strecke zu beschreiben. Kurz nach dem Start

biegt der Kurs nach rechts ab,
 
um nur 100 Meter weiter an der Gefängnismauer wieder zu wenden. 
Am Wendepunkt empfängt uns diese unterhaltsame Musikgruppe, um die wir herumgeführt werden.
Auf Höhe des Verpflegungsstandes geht es also nach links, 
wieder vorbei am Start und dann auf einen Abschnitt, von dem es keine Fotos gibt. Dort haben nämlich die Haftinsassen Freigang und sind unser Publikum. Zum Schutz ihrer Persönlichkeit will man vermeiden, Bilder davon zu veröffentlichen, was wir respektieren müssen.
    
Wir laufen dann eine gut 100 Meter lange Gerade entlang der Gefängnismauer.
 
Rechtskurve, dann wieder eine Gerade,
die umittelbar gegenüber der Verpflegungsstation zum zweiten, diesmal scharfen, Wendepunkt führt.

Nach einiger Zeit verlässt die Musikgruppe ihren ehemaligen Standort an der ersten Wende und

bezieht vor dem Abzweig in eine Extraschleife Position.

Dort laufen wir um eine Halle. Im Vordergrund übrigens Andrea, die ja oft bei Sigrids Läufen am Start ist.
Dann geht es wieder auf die bekannte Strecke zurück.
Es geht also dann in die andere Richtung entlang der Gefängnismauer,

um dann nach der unbebilderten Passage wieder den Start zu erreichen und in die nächste der 24 Runden aufzubrechen. Unmittelbar nach dem Durchlauf wird auf einer Leinwand die aktuelle Rundenzahl und Zwischenzeit angezeigt. Ein erstklassiger Service.
Ein Gullideckel, hinter dem gebückten Daniel zu sehen, wird ihm zum Verhängnis. Er stolpert und hat wohl außer ein paar Schürfwunden auch einen Finger gebrochen. Doch zum Glück laufen wir ja mit den Füßen...
Natürlich gibt es auch vom Hauptsponsor Frubiase Sportgetränke an der Verpflegungsstation und bei den netten Damen greift man natürlich gerne zu.

Die Nummer 1 Markus ist im Ziel und die Nummer 1 hat auch gewonnen in der neuen Streckenrekordzeit von 2:47:43. Marion hat noch ein paar Runden vor sich.

Petra ist Siegerin bei den Damen in 3:26:39 mit allerdings nur 41 Sekunden vor der Zweitplatzierten.

Diese jungen Mädels überreichen die Medaillen. 
Daniel erzählt über sein Mißgeschick. Auch sein Arm wurde ein wenig in Mitleidenschaft gezogen.
Bei herrlichem Sonnenschein läßt es sich bei einem Malzbier nach dem Lauf gemütlich ausruhen. Übrigens darf jeder "Externe" eine Begleitperson mitbringen. Der 1. Vorsitzende des veranstaltenden SV Kiefer meint später im Rahmen der Siegerehrung, dass er sich Jahr für Jahr bemühe, sowohl für die Läufer angenehm kühle Temperaturen zu haben und für das Publikum den warmen Sonnenschein. Durch den kurzen Schauer zwischendurch, der die Laufstrecke etwas abgekühlt hat, ist dies auch einigermaßen gelungen und den Sonnenschein nach dem Lauf haben ja ohnehin alle verdient. 

Die meisten bleiben bis zur Siegerehrung. Kaffee und Kuchen gibt es reichlich und ohne zusätzliche Bezahlung. Es werden allerdings nur die jeweils ersten drei Damen und Herren geehrt, die Haftinsassen separat. Keine Altersklassenpreise. 
René hat sein Gepäck bei mir im Auto deponiert, so dass ich mit ihm gemeinsam die Haftanstalt verlassen möchte. Doch bei der Siegerehrung ist er nicht zu sehen. Als diese vorüber ist, verlasse ich das Gefängnis und warte am Auto. "Wo warst Du so lange?" frage ich. "Bei der Massage, die ist hier ausgezeichnet und dauert nicht nur ein paar Minuten".
Als Fazit bleibt eine sehr gut organisierte Veranstaltung mit bestem Preis-/Leistungsverhältnis in Erinnerung, auf der es auch bei den vielen Runden nie langweilig wird. Wer teilnehmen möchte, sollte sich aber rechtzeitig anmelden. Die wenigen Startplätze sind schnell ausgebucht.

Viele Grüße
 Michael Weber

  
   
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2 Kommentare

Seite 1 von 1 1

Nr. 1   Doris Sagasser schrieb am 13.06.2011 - 00:37 email

Hallo Michael,

toller Foto-Bericht. Weckt in mir immer mehr den Wunsch, ihn auch mal zu laufen.

Doris

Nr. 2   Marion Möhle schrieb am 15.06.2011 - 16:44 email

Hallo Michael,

klasse, Dein Bericht - das war ja wirklich ein kleines 100MC-Treffen in den südlicheren Gefilden Deutschlands! Vielleicht bis bald beim Ermstal-Marathon?

Viele Grüsse

Marion