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Freitag, 12.10.2007 | von: skl

"Medical Park Marathon - grenzenlos im Rodachtal" am 3.10.07

Ein die ehemals innerdeutsche Grenze überschreitender Marathon - und das in meiner Heimatstadt Bad  Rodach
im idyllischen Coburger Land in Oberfranken - das klang für mich schon einige Jahre sehr verlockend! Wer
so grenznah  (nur 2 km) am "eisernen Vorhang" aufgewachsen ist und unzählige Male über die scharf wachten
Grenzanlagen hinüber nach Thüringen geschaut hat, kann verstehen, dass es etwas ganz besonderes ist, diese ehemaligen  Schranken zu überschreiten - noch reizvoller, wenn dies laufender Weise auf den Wegen erfolgen kann, die in der Kindheit sichtbar, jedoch unerreichbar waren.  

     Somit war es dieses Jahr an der Zeit, diesen Marathon, der bezeichnenderweise auch noch am 3. Oktober, dem Tag der Wiedervereinigung stattfindet, endlich einmal in meinen Laufkalender aufzunehmen. Wild entschlossen und voller Vorfreude auf das Lauferlebnis sowie einige schöne Tage bei Muttern im schönen Bad Rodach,  machte ich mich mit meinem jüngsten Spross Nick (4) auf den ca. 600 km langen Weg - Ankunft Di, 22.00 h. Gerade noch Zeit, um den Flyer zum Lauf aus der Kurklinik (dem Medical Park) zu holen, die Startnummernausgabe war zu diesem Zeitpunkt natürlich bereits geschlossen. Aber dies konnte ich dann in Ruhe am Mittwochmorgen erledigen. Am Veranstaltungstag "steppte" bereits um 9.00 h ´"der Bär" vor der Klinik. Sambatrommeln erledigten das "Warming-Up" für die unzähligen Staffelläufer (4 x 10 km), die Halbmarathonläufer, die den 2. Teil der Strecke liefen sowie natürlich die "Marathonis" zu denen ich mich ja auch zählen durfte (?). Toll war das Wiedersehen mit vielen alten Bekannten aus meiner "Sturm- und Drangzeit", es gab ein großes Hallo und herzliche Begrüßung, was mich besonders gefreut hat.   




 
Dann wurde es langsam Ernst, der prominente Gast, Alexander Leipold (mehrfacher Ringer-Weltmeister), der selbst im Medical Park nach Schlaganfällen zur Reha war und seitdem freundschaftliche Beziehungen zur Klinik pflegt, gab den Startschuss. Die "heißen" Staffelläufer (über 40 Staffeln!) sowie die etwas  verhaltener  startenden ca. 50 Marathonis stoben davon - während die knapp 100 Halbmarathonteilnehmer sich zunächst ihren Platz im Bus suchen konnten. Es  war ein herrlicher Tag, der dem Namen "goldener Oktober" alle Ehre machte und ich hatte  schon Respekt vor der noch ziemlich stark wärmenden Sonne! Zunächst ging es die langgezogene Klinikauffahrt hinunter, was einen Start immer noch attraktiver  macht, dann Richtung Rodach, durch das Kurgebiet am Thermalbad vorbei und schon wieder hinaus aus dem Städtchen Richtung Ortsteil Rudelsdorf.  

     Die Landschaft ist einmalig. Jedesmal wenn ich in Rodach bin (und vorallem, wenn ich dort laufe) bin ich aufs
Neue begeistert, wenn ich die weich fließende Hügellandschaft sehe (in meiner jetzigen - ebenfalls tollen - Heimat in Schleswig-Holstein ist es ja nun mal eher flach…), die bunten Felder sowie die Laubbäume, mit ihren jetzt wunderschönen gefärbten Blättern in ausdruckstarken, warmen Farben. Das Auge kann in dieser Gegend schweifen, wird dann am Horizont durch die Gleichberge, den Straufhain und anderen Erhöhungen sanft im Rahmen gehalten. Die Begeisterung lässt mich viel zu schnell werden, meine 5-km-Zeit ist zu kurz, ich nehme mich etwas zurück und halte Ausschau nach dem ersten Getränkestand, der jetzt doch wohl (laut Streckenplan und Aussagen netter Helfer am Morgen bei der Unterlagenausgabe) in Rudelsdorf kommen dürfte. Doch leider kam nichts…     






  Alle  Sorgen sind vergessen, als ich aus dem beschaulichen Dörfchen Richtung Straufhain komme. Besonders dieser "Berg" war für mich das weithin sichtbare Zeichen der Teilung, so nah und doch unerreichbar. Der Straufhain, ein Vulkan, auf dessen Kegel  bereits um 800 die Burg Strauf errichtet wurde, ihre Blütezeit im 12. Und 13. Jhd. hatte und dann im Bauernkrieg zerstört wurde. Da die Burg im Sperrstreifen der DDR lag, war sie lange dem Verfall preisgegeben und wurde völlig überwuchert. Heute gibt es einen Freundeskreis dessen Mitglieder aus Thüringen und Bayern um die Erhaltung und Präsentation der Ruine und ihrer Geschichte sehr aktiv bemüht sind.    




  Angenehmen Schatten boten der herbstlich bunte Mischwald, der den Straufhain bedeckt und ich lief leichten Fußes über die Höhe hinab in das  Dörfchen "Seidingstadt" (der ersten Trinkstation???). Auch dieser Ort hat schon ein paar Jahre auf dem "Buckel", lt. Reiseführer ebenfalls im Jahre 800 erstmals urkundlich erwähnt. Besonders bemerkenswert neben dem mir persönlich ins Auge fallenden Zwiebeldachturms der Dorfkirche ist die Tatsache, dass die Münchner diesem Ort bzw. der dort 1792 geborenen Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen ihr Oktoberfest zu verdanken haben! Anlass des Festes auf der Münchener Theresienwiese war die Heirat der Prinzessin mit König Ludwig I. von Bayern. (Da sag noch einer: Laufen bildet nicht!)






   
An einer Kreuzung im Ort stand eine Polizeistreife, die den freundlich den Weg wies, jedoch leider auch kein Wasser zu bieten hatte. Also dann auf gen Völkershausen, dem ersten Wechselpunkt der Staffeln, da muss es was zu trinken geben!  Auf den gut 3 km zu diesem Wechselpunkt meinte man es gut mit mir. Zunächst kommt ein privater Betreuer eines Läufers vorbei und bot mit Wasser an (vielen Dank nochmal!), dann kamen zwei nette Polizisten im Streifenwagen mit einer Flasche Wasser und zur Krönung fuhren zwei nette Sanis im RK-Wagen im Schritttempo längs und fragten, ob sie mich mitnehmen sollten! (Ich dachte: "Himmel, seh ich schon bei km 8 oder 9 bereits so fertig aus?"  Dabei fühlte ich mich bestens und die letzte war ich doch auch nicht! Oder verglichhen die mich mit den Staffelläufern, die sicherlich schon einige Zeit vor mir durch waren?)    






Naja, endlich in Völkershausen, nach 1 Std. 05 (-wie geplant -) - und es gab Wasser (wie ich später hörte, jedoch nur den "Völkershäusern" zu verdanken, psst!) und Obst, juhuu! Frisch gestärkt zog ich weiter Richtung Heldburg, einer Kleinstadt am Fuße der namensgleichen Burg, der "Veste Heldburg" (oder auch "Fränkische Leuchte"). Weithin sichtbar sind die Burgbauten aus dem 15. Und 16. Jhd. sowie der Renaissance-Schlossbau, nur Dornröschen ließ sich wiedermal nicht blicken… Alsbald ging es erneut eine Anhöhe hinauf und dann scharf rechts, am Rettungshubschrauber vorbei, dessen Crew mir einen Platz (allerdings nur auf den Kufen des Helikopters) anbot, und den ich dann doch dankend ablehnet weiter nach "Einöd". Eigentlich kein schöner Ortsname, auf keinen Fall zutreffend, im Gegenteil, der Gasthof "Zum Rittergut" im ehemaligen Rittergut Einöd lud mit verführerischen Düften zum Festtagsbraten ein! Doch nach dem Motto, man kann sich auch satt Schnuppern, setzte ich meinen Weg fort durchs Örtchen Lindenau (ca. km 18). Neben dem "Beinaheangriff" eines mutigen kleinen "Westi-Hundes" sowie dem netten Zuruf einer Dame: "Gleich isses gschafft" (???? Meinte sie die 2. Staffeletappe???) gab es in hier keine weiteren Vorkommnisse (nein, auch kein Wasser).       Schließlich kam ich von Thüringen wieder nach Franken und hinauf nach Autenhausen - kurz vor dem Ort wieder die netten Polizisten, die eine Flasche (Wasser!) anboten, die ich jedoch leichtfertig ablehnte, da es ja am
Wechselpunkt - km ca. 20 - Verpflegung geben würde. Doch zog sich die Straße noch ein gutes Stück nach oben und auch den Ort musste man ein gutes Stück durchqueren, bevor der Getränkestand - gut bestückt! - in Sichtweite kam. Die Frage einer Zuschauerin, ob ich die letzte sei (inzwischen waren ca. 2 Std. 15 vergangen), konnte ich weiterhin verneinen, da die Frau eines Mitläufers, die mich ebenfalls motivierte und mit Wasser anbot (auch hier nochmals vielen Dank!), noch immer zwischen mir und meinen Hintermännern per Fahrrad pendelte, also die Sanitäter wohl auch nicht die übrigen, hinter mir laufenden Teilnehmer zum Mitfahren hatten bewegen können.      



Weiter ging es nach Gemünda und Dietersdorf. Hier radelte eine nette Dame heran, die mich nach meinem Befinden fragte, das ich ihr als gut beschreiben konnte (war das etwa eine Ärztin, die nach dem Befinden der hinteren Läufer schauen sollte?) und die ebenfalls eine Flasche Wasser dabei hatte, die ich dankend an mich nahm, aber - ups! - sie wollte sie doch tatsächlich zurück haben! Doch das wohl aus gutem Grund, denn die Läuferin vor mir, zu der ich gleich darauf auflief und an ihr vorbei zog (klingt gut, sah aber bestimmt nicht sonderlich dynamisch aus!), schien die Erfrischung mindestens ebenso  gut gebrauchen zu können. In Dietersdorf (doch, da gab es doch tatsächlich auch etwas zu trinken, obwohl die nächsten 10 km noch nicht voll waren - vielleicht wegen der hier auf der 2. Hälfte ja auch gelaufenen Halbmarathonläufer?) war sogar wieder ärztliche Versorgung verfügbar.  



Doch diese musste ich glücklicherweise nicht in Anspruch nehmen sondern setzte meinen Weg wieder über die
thüringische Grenze fort. Irgendwo zwischen Wald und Feld gab es dann noch einen Verpflegungsstand, den der ausbrechende Hund einer der "Verpflegerinnen" beinahe noch zu Fall gebracht hätte  - doch alles wurde gut und ein Opa, der auf seiner Türschwelle saß meinte: "Na, der letzte  Krieger?!" (In welcher Epoche  war bei ihm wohl die Zeit stehengeblieben?)   
Endlich - mit inzwischen tonnenschweren Beinen - erreichte ich Ummerstadt - eine Station auf die ich mich
auch sehr gefreut hatte, denn ich bin jedesmal, wenn ich in diese romantische kleine Stadt komme(die kleinste
Thüringens und die zweitkleinste in Deutschland), begeistert von den traumhaften Fachwerkhäusern, den kleinen Gassen mit Kopfsteinpflaster (für Läuferbeine jedoch weniger geeignet). Der Marktplatz wirkt wie ein
Freilichtmuseum, nicht zuletzt deshalb wurde der Ort auch für Dreharbeiten des Films "Martin Luther" im
Jahre 2002 ausgewählt. Auch eine betagte Dame, dieser Ort: 837 unter dem Namen "Undrungen novu mocru" erstmals erwähnt, lange im Besitz der Henneberger Grafen und im Jahre 1394 mit Stadtrecht versehen schlummerte auch diese Schönheit zu DDR-Zeiten in der Sperrzone und blüht heute wieder, liebevoll instandgesetzt. Der historische  Stadtkern ist als Flächendenkmal geschützt.      
Doch war für Muse keine Zeit;  weiter ging es, wieder mit Wasser und Obst am letzten Wechselpunkt versorgt,
ins benachbarte  Bad Colberg, einem "Ort mit Heilquellenkurbetrieb",  Terrassentherme und Reha-Klinik, der
vorletzten Station im schönen südlichen Thüringen. Den Schlusspunkt in Thüringen bildete ein weiteres trauriges Kapitel der DDR, die Wüstung Billmuthausen. Das Dorf, das als Rittergut 1340 erstmals erwähnt wurde, fiel der Willkür des Regimes zum Opfer. In der Sperrzone gelegen, wurde das Dorf nach der Flucht einiger Familien nach Bayern sowie der Zwangsumsiedelung weiterer Familien 1978 dem Erdboden gleichgemacht. Geblieben sind der Friedhof und eine Gedenkkapelle, die errichtet wurde - gepflegt und vertreten durch einen Förderverein.      



Nach einem einsamen Lauf über sehr verlassene Wald- und Wiesenwege kam endlich  Gauerstadt in Sicht - ein Ortsteil von Bad Rodach -  die letzte Station (ja, mit Getränkestand, an dem ich gleich eine ganze Flasche Wasser bekomme) auf meinem langen Weg. Kurz noch die Zuschauer vor dem Sportheim etwas animiert, vor allem auch für die paar noch folgenden Mitstreiter (insgesamt waren die Franken und Thüringer eher apathisch - man wurde eher verwundert angesehen) war ich gewappnet für die letzten 4 km, die ja bekanntlich immer die härtesten sind. Gott sei Dank kamen jetzt keine Sanis mehr vorbei, die eine Mitfahrgelegenheit anboten,  und so ließ ich mich nochmal anspornen, als ich einen Läufer vor mir wahrnahm, den ich gerne noch "versägen" wollte. Was mir auch gelang -  der Kommentar des Kollegen: "Wie schafft ihr Frauen das immer noch auf den letzten Kilometern?" Tja, gute Frage!  




 
2 km vor dem Ziel überholten mich noch 2 liebe alte Freunde auf dem Fahrrad, denen ich nur noch per Zeichen zu verstehen geben konnte, dass wir uns gleich in Ziel treffen könnten. Dann  bekam  der nette Feuerwehrmann an der folgenden Kreuzung meine leere Flasche und ich nahm beide Beine nochmals in die Hand  und spurte te(wenn man davon nach 42 km noch sprechen kann) die Medical-Park-Auffahrt hinauf.   Juhuu - geschafft! Und noch nicht mal 5 Stunden gebraucht! Aber scheinbar interessiert das nur noch wenige  Zuschauer.  Dabei ist der eine oder andere doch noch hinter mir - und auch der Letzte freut sich über das Anfeuern auf der Zielgeraden, liebe Rodacher! (Nicht dass ich mit Berlin oder Hamburg vergleichen will, das wäre unfair, aber dieses Topwetter und das vielseitige Rahmenprogramm waren doch wirklich die besten
Voraussetzungen für langes Ausharren!)     



Nach kurzem Verschnaufen, ein paar Worten mit Familie und Freunden sowie einer leckeren Suppe, die die Lebensgeister wieder weckte , freute ich mich auf die im Angebot stehende Massage und machte mich auf Weg. Doch oh Schreck, die Tür zum Massageraum war zu?! Gott sei Dank, da war noch jemand drin, doch eigentlich wollten die lieben Masseure Feierabend machen! Ein sehr nettes Mädel ließ sich denn doch überreden und ich bekam eine tolle Massage von gleich 2 jungen Leuten - vielen Dank nochmals dafür! Doch der Belohnung nicht genug, ging es jetzt weiter ins klinikeigene Schwimmbad - ein Traumbad von riesigen Ausmaßen (mit endlich VIEEL Wassers!) und traumhaftem Panoramablick in die Rodacher Hügellandschaft - hinüber zum Georgenberg,
was ich sehr lange auskostete. Endlich  zwang ich mich aus dem Wasser, doch auf dem Weg zur Dusche überredete mich eine nette Bademeisterin, doch noch unbedingt (ich war einer der letzten beiden Gäste des Schwimmbades) den tollen Zitronenaufguss in der Sauna zu testen. Bevor ich mich schlagen ließ, willigte ich ein und bekam noch einen Super-Luxus-Saunagang, exklusiv für mich allein! (Wer wird jetzt noch über mangelnde Wasserversorgung auf der Strecke meckern???)       Fast 2 Stunden nach meinem Zieleinlauf verließ ich den Ort meines Kurzurlaubs - auf dem Platz vor der Klinik
waren nur noch wenige Tische besetzt, eine gelungene Veranstaltung war zu Ende gegangen. Mein Fazit des Tages: eine wie gesagt tolle Veranstaltung vor bzw. in  traumhafter Kulisse, und wenn im nächsten
Jahr - wie versprochen - der Wasserhaushalt ausgeglichen wird , lohnt sich der lange Weg 1000%ig wieder!    Kaltenkirchen, 10.10.07

  Claudia Erdmann (Laufzeit 4:47:48 Stunden)
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