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Sonntag, 21.10.2001 | von: mw

Grand Raid de La Réunion 2001

Grand Raid de la Réunion – 125km quer über die Insel im indischen Ozean, 8.000 Höhenmeter, 5 Klimazonen Oder: wie die ‚Asphaltläufer‘ Eberhard Frixe und Uli Weber ihren ersten richtigen Trailrun Erlebt haben. Den Swiss Alpin in Davos haben sie beide schon mehrfach bestanden, doch dieser Lauf sollte sich im Gegensatz zu dem, was sie auf La Réunion erlebt haben, als Spaziergang erweisen. Die 9. Auflage des Grand Raid fand in diesem Jahr vom 19. Oktober bis 21. Oktober 2001 auf der 2511qkm großen und ca. 400.000 Einwohner zählenden Insel östlich von Madagaskar statt. Sie wurde 1505 vom Portugiesen Mascarentas entdeckt. Die Insel ist gebirgig, es gibt zwei Schichtvulkane von denen einer, der Piton de la Fournaise (2.625m) noch tätig ist. Das Klima ist tropisch-ozeanisch, zu 20% besteht die Insel aus Regenwald. Die Insel wird bewohnt von Kreolen (Mischung aus Franzosen und ehemaligen schwarzen Sklaven) und lebt vom Anbau von Zuckerrohr, Maniok, Vanille, Essenzpflanzen und Kaffee. Start war am Freitag, dem 19.10. morgens um 04:00 Uhr, Zielschluß am Sonntag, dem 21,10. um 16:00 Uhr. Jeder Teilnehmer hatte also 60 Stunden Zeit um dieses Sprktakel zu überstehen. Eigentlich wollten Eberhard und Uli noch ihren Freund Joey Kelly mitnehmen, der war auch angemeldet, aus beruflichen Gründen mußte er jedoch kurzfristig absagen. Vom Flughafen Paris Orly ging es per Direktflug nach St. Denis, der größten Stadt auf der Insel. Hier bezogen wir Quartier in Etang-Salé-les-Bains an der Westküste der Insel. Das Briefing und die Abholung der Startnummern erfolgte bereits am Mittwoch, dem 18.10. um 18:00 Uhr im Stadion de la Redoute in St. Denis. Wer der französischen Sprache nicht ganz mächtig ist kann ruhig später erscheinen, denn er würde eh nichts verstehen. Außerdem hat das den Vorteil, daß man bei der anschließenden Startnummerausgabe nicht an einer der endlosen Schlangen warten muß bis man dran ist. Die Startnummern sind in Folie eingeschweißt, mit Paßfoto versehen und der Vorname eines jeden Laüfers ist riesengroß gedruckt. So wurde man dann auch, wenn man durch eine der wenigen Ortschaften kam, mit dem Vornamen angefeuert: Courage, Courage, Eberhard, Courage, Courage, Uli. Doch nun zum Rennverlauf. Der Start war im Süden der Insel gelegenen kleinen Ort St. Joseph im Stadion ‚Stade Langevin‘. Jeder Teilnehmer wurde mittels eines auf der Sartkarte befindlichen Strichcode registriert und mußte das mitgeführte Gepäck einer Kontrolle unterziehen. Wärmefolie oder Windjacke, Trillerpfeife und Taschenlampe gehören zur Pflichtausrüstung, wer eines der Teile nicht vorweisen kann erhält eine Zeitstrafe. Gott sei Dank wurde das Fehlen meiner Trillerpfeife nicht bemerkt. Ein Camelbak ist hier sehr empfehlenswert. Dann endlich der Startschuß, doch welch ein Chaos, die 2.495 Teilnehmer (Mini Raid, Semi Raid und Grand Raid) aus dem Stadionrund mußten sich durch einen engen Ausgang zwängen, wer hier eine schlechte Position erwischte mußte erst einmal für längere Zeit wandern. Uli und ich sind mittendrin, es dauert eine Weile, bis wir unser Tempo finden und frei laufen können, das Tempo liegt so etwa bei 5,5km/h. Doch nach einigen Kilometern auf asphaltierten Wegen durch Zuckerrohrfelder läuft es sich im Schein der Taschenlampen der Mitläufer ganz gut, jetzt im 5er Schnitt. Unsere eigenen Taschenlampen benutzen wir an diesem Morgen noch nicht. Ca. 1,5 Stunden ging das so bergauf weiter, die Motivation war gut, also alles im grünen Bereich. Dann der erste richtige Aufstieg, schlammige Passagen, felsige Passagen die man teilweise nur auf ‚allen Veren‘ absolvierte. Unsere Händ sollten im Verlauf dieses Wettkampfes noch viel Arbeit bekommen, doch davon ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Nach 25 km befanden wir uns in 2.300m Höhe auf der ‚Route du Volcan‘ die Vulkane ‚Piton des Neiges‘ und ‚Piton de la Fournaise‘ immer im Blickfeld. Hier oben war auch das Ziel des Mini Raid. Nach kurzer Verpflegungspause, der Tisch war reichlich gedeckt, und Begrüßung des Running Herausgebers Armin Schirrmayer ging es weiter zum höchsten Punkt des Rennens dem Oratoire Sainte-Thérèse mit 2.409 m, der nach 31,5 km erreicht war. Manch einer bekommt hier in dieser Höhe schon Probleme mit der dünnen Luft, uns machte es nichts aus. Es war sehr heiß hier oben, ca. 35 – 40 Grad C, ein erster Sonnenbrand kündigte sich an. Weiter ging es, mal rauf mal runter, über Steine und Geröll, dann wieder durch Regenwald und über glitschige Pfade. Das war so gar nicht unser Ding und wir hatten Mühe, uns immer wieder auf’s neue zu motivieren. Aber wir sind hierher gekommen um zu finishen, hämmerten wir uns immer wieder ein. Der innere Schweinehund sollte sich an uns die Zähne ausbeißen, er sollte keine Chance bekommen. Bis zum Ende des Semi Raid nach 64,4 km in Cilaos blieben wir in etwa auf dieser Höhe. Hier in Cilaos war der Teufel los, viele Zuschauer, viele Begleiter von Läufern, die mit trockenen Sachen auf ihre Schützlinge warteten. Da wir keine Betreuer hatten waren wir auf uns allein gestellt. Das war aber keineswegs schlimm, denn man kann dieses Rennen durchaus ohne Betreuung antreten. Es gab wieder reichlich zu essen, Hähnchenkeulen, Suppe, Kaffee, Kekse und vieles mehr. Hier lernten wir Lutz aus Suhl kennen, der sich uns anschloß. Das sollte sich im Nachhinein als gut erweisen. Dann kam, nach 68km der Abstieg auf etwa 1.000 m Höhe, der unsere Kniegelenke wieder gehörig auf die Probe stellte. Dieser Abstieg wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, denn er war sehr schwierig und steil. An den ganz extremen Stellen waren Leitern angebracht, oder es waren Halteseile an den Felsen befestigt. Unten erwartete uns eine asphaltierte Straße, welch Wohltat für unsere Füße und für den gesamten Bewegungsapparat. Doch nach 70 km ging es wieder bergauf, bei km 81 waren wir dann wieder auf 2000m angelangt. Naja, sagte ich laut, irgendwo müssen die 8.000m Höhenunterschied ja auch herkommen. Inzwischen war es dunkel geworden, wir befanden uns wieder im Regenwald, die Läuferschar war so weit auseinandergezogen, daß wir nun nicht mehr vom Taschenlampenlicht unserer Vorläufer profitieren konnten. Wie schon erwähnt, erwies es sich als Glücksfall, daß Lutz sich zu uns gesellt hatte, denn die Taschenlampe von Uli verabschiedete sich als erste (komisch, beim Badwater funktionierte sie noch!) So ging es dann erstmal zu dritt und mit zwei Taschenlampen weiter, über Wurzeln, Felsen und Geröll. Dann kam ein zweites Unglück dazu, auch die Batterien meiner Taschenlampe versagten ihren Dienst, obwohl ich sie neu gekauft hatte, Jetzt standen wir da, 3 Läufer, eine Taschenlampe, um uns herum stockfinstere Nacht. Was tun? Es blieb uns nichts weiter übrig, als weiterzulaufen, Lutz mit der Taschenlampe vornweg und Uli und ich vorsichtig hinterher. In dieser Phase des Rennens mußten einige meiner Zehennägel dran glauben, sie sind heute blau. Glücklicherweise trafen wir Jo und seinen Begleiter, beide aus Luxemburg, die zumindest mir mit neuen Batterien aushelfen konnten. Die Zeit verging wie im Flug, aber wir schafften nur wenige km, denn es ist in diesem unwegsamen Gelände sehr schwer zu laufen, so ca. 6,5 km/h. In den Verpflegungsstellen bezogen immer mehr Läufer ihr Nachtlager und warteten den nächsten Tag ab. Wir aber wollten keine Zeit verlieren und dachten garnicht daran zu schlafen. Dann endlich konnten wir im Dunkel der Nacht schemenhaft den Roche écrite erkennen, das bedeutete für uns noch einmal einen Aufstieg von 1.000m in Dunkel der Nacht und teilweise auf allen vieren, die Taschenlampre zwischen den Zähnen. Mit Stirnlamopen können wir alle drei nicht laufen. Wir waren inzwischen bei km 98 angelangt. Es war eine Tortour, ich weiß nicht mehr, wie oft wir uns geschworen haben, so etwas nie wieder zu machen Pünklich zum Morgengrauen versagten meine Taschenlampenbatterien erneut ihren Dienst, doch nun kamen wir ohnen künstliches Licht aus. Von hier oben hatten wir eine herrliche Aussicht. Gut, daß wir im Dunkel der Nacht hier rauf sind, sagt Uli, als er in die Tiefe blickte, es war ganz schön steil. Hier oben auf dem Plateau wehte ein kühler Wind, uns fror in 2.050m Höhe. Laut Streckenprofil sollte es ab hier bergab gehen, doch das war ein Trugschluß. Weiterhin das ständige, ätzende bergauf, bergab. Bis km 110 hatten wir wieder eine Höhe von 1000 m erreicht, unsere Füße schmerzten, unsere Knie schmerzten, hoffentlich überstanden wir dies alles ohne größere Blessuren. Dann endlich, bei km114 sahen wir unter uns St. Denis, es konnte nicht mehr weit zum Ziel sein. Dachten wir! Doch auch bei km 118 hatten wir nach ständigem auf und ab laufen keinen m an Höhe verloren. Es sind nur noch 7km bis ins Ziel, warum kommen wir denn nicht endlich tiefer, fragte ich immer wieder und merkte, daß die beiden anderen genau das gleiche dachten. Wir hatten uns vorgenommen, die letzten km zumindest zu traben, doch zu diesem Zeitpunkt plagten Lutz schon arge Schmerzen, die Fußsohle seines linken Fußes war eine einzige Blase, am rechten Fuß löste sich der Hacken. Er hat sicherlich sehr gelitten und es fiel ihm nicht leicht als er andeutete, daß wir allein weitertraben sollten. Er würde ab hier langsamer machen. Endlich waren wir bis auf 118m runter, das Ziel lag in einer Höhe von 53m, das bedeutete, daß wir immer noch 65m absteigen mußten. Und dieser Abstieg hatte es noch einmal so richtig in sich, hier wird keinem etwas geschenkt. Die Beine wurden immer schwerer. Endlich unten angekommen konnten wir noch den letzten km auf einer asphaltierten Straße laufen, bevor wir nach einer Runde im Stadion de la Redoute ins Ziel einliefen. Die Endzeit von 32 Stunden und 22 Minuten bedeutete den 436 und 437 Platz. Wir bekamen das obligatorische Finisher T-Shirt und eine Medaille, ein sehr hartes Rennen ist zu Ende. Im Moment glaubten wir, unsere Füße und Beine nicht mehr gebrauchen zu können. Doch während ich diese Zeilen schreibe, es ist Montag, der 22.10., sitzen wir im Flieger Richtung Paris und wir sind sicher, am kommenden Sonntag beim Euro Marathon in Frankfurt starten zu können. Von 1962 Startern des Grand Raid konnten 1.475 das Ziel in der limitierten Zeit von 60 Stunden erreichen. Der Sieger in diesem Jahr heißt Pascal Parny, er siegte in einer Zeit von unglaublichen 16.01 Stunden Übrigens waren unsere Laufschuhe so zerschunden, daß wir sie gleich auf der Insel gelassen haben. Fazit: Alles in allem ein großartiges Erlebnis, für Trailrunner unbedingt zu empfehlen! Ich weiß nicht, ob ich diesen Trailrun noch einmal machen würde.....aber eines ist sicher – es war eines der schönsten (Lauf)erlebnisse, wir waren nur nicht darauf vorbereitet. Straßenläufer, wie wir es sind, fühlen sich eben auf Asphalt und beim Badwater Run wohler! Wer Informationen zu diesem Lauf haben möchte wende sich bitte an den Verfasser dieses Berichtes (0172 - 61 61 61 3) oder schaut unter: www.grandraid-reunion.com.

Eberhard Frixe

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