Kurz vor knapp

31.10.2020

Autor: Markus Pitz

Ab Montag, dem 02.11.2020 erfolgt wegen der Coronapandemie der zweite Lockdown. Für das Museum im Schloss Wilhelmsthal in Calden bedeutet dies wohl, wieder zu schließen. Gut, aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit werden die Besucher sicher weniger. Nur mir fehlt jetzt die Zeit, die Rokokoausstattung des Schlosses zu bewundern. Noch gelten die neuen Regeln zwar nicht aber ich bin für einen Marathon hier. In diesem Monat bin ich zum zweiten Mal bei Bernd Neumann zu Gast. Spontan, denn ich wollte kommende Woche mal wieder beim Steinhart 500 antreten. Eigentlich, denn derzeit ist wieder nichts normal und Flexibilität ist gefragt. Wer weiß schon, in welcher Form in den kommenden Wochen noch Marathonläufe möglich sein werden. So komme ich früher als gedacht dazu, das schöne Schloss in der Nähe von Kassel marathonmäßig zu umrunden, denn interessiert hat mich das schon beim ersten Blick auf die Ausschreibung im Internet.

Nach kurzer Anfahrt spektakulärer Anfahrt, die Sonne durchbricht vereinzelt die dichte Wolkendecke und bietet einmalige Ausblicke, erreiche ich pünktlich den Parkplatz am Schlosspark. Außer den 12 Mitstreitern und 2 Halbmarathonis sind wenig Besucher unterwegs. Bernd erklärt den Streckenverlauf. Zuerst ist ein Auftaktstück von etwa 1,9 KM zu laufen, wobei wir erst einmal am Park vorbeilaufen. Erst im zweiten Anlauf geht es auf eine 5,05 KM-Runde, bei der wir die Schönheit der Parks genießen dürfen. Erst einmal laufen wir rechts am Schloss vorbei, ehe die Strecke links am Gebäude vorbeiführt. Nach dem Schloss die zweite Abbiegung rechts folgt die Strecke an einem Hügel vorbei, den wir nach etwa 1 KM über einen steilen Anstieg erklimmen. Hier kommen wir auf eine Runde, die etwa 1,75 Mal zu laufen ist, ehe es nach rechts aus dem Park hinaus geht. Dem Waldweg folgen wir etwa einen KM an einem Feuerlöschteig vorbei, ehe wir durch ein Tor den Park am alten Ententeich wieder erreichen.  Eine Links-Rechtskombination führt uns zum künstlichen Kanal mit Wasserspiel. Von dort geht es noch einmal bergan zur Hauptsichtachse mit Blick auf das Schloss, der wir bergab folgen, bevor wir dem ersten Teil unserer Runde entgegengesetzt zum Ziel wieder folgen. Klingt vielleicht etwas kompliziert, ist aber gut beschrieben und der Weg durch weiße Pfeile und Flatterband ausreichend markiert.

Gut instruiert begeben wir uns pünktlich auf die Strecke. Vollkommen Corona-konform hübsch hintereinander, mit Abstand. Schnell finden sich aber auch Pärchen zusammen, die bei gebührendem Abstand gepflegte Unterhaltungen führen. Ich freue mich über die familiäre Atmosphäre und mal wieder mit Heike und Peter unterwegs zu sein. Aber auch neue Bekanntschaften wie Michaela bieten angenehme Abwechslung. Auch wenn die Sonne sich wenig zeigt, so bleibt es doch trocken, bei angenehmer Lauftemperatur. Als Entschädigung für den fehlenden Sonnenschein leuchten die Blätter an den Bäumen und auf dem Boden goldgelb. Genügend Abwechslung auf dem ersten Rundenkilometer, bevor es leicht aufwärts geht. Ist das schon die angekündigte schwere Steigung? Nein, denn erst kurz darauf folgt der knackige Anstieg über etwa 50 Meter. Der kann auch jetzt schon gehend überwunden werden, um notwendige Körner zu sparen. Nach den Runden und dem ersten Stück durch den Wald, als es wieder hinab geht zum Park setze ich mich ein paar Meter nach vorne ab. An der Mauer angekommen vermute ich den Weg zu kennen, da mir die Strecke vom Auftaktstück bekannt vorkommt. So bin ich schon einige Meter voraus, ehe ich von Peter zurückgepfiffen werde, denn ich habe tatsächlich einen Pfeil übersehen. Wird in den kommenden Runden nicht wieder vorkommen. Nur in dieser Runde erreiche ich noch am Schluss der Gruppe das Holztor beim Ententeich. Bei diesem ist Gefühl gefragt, denn lässt man es einfach nur zuknallen, kann es sich verklemmen und die nachfolgenden Läufer haben mehr Kraft aufzuwenden, es wieder zu öffnen.

Ich zeige mich verantwortungsvoll und schließe es vorsichtig. Der nächste Abschnitt mit dem künstlichen Kanal wird derzeit renoviert, das Wasser ist abgelassen. So kann ich nur erahnen, wie prachtvoll er wirken kann, wenn der Bauzaun nicht stört und alles wieder in schönster Ordnung ist. Bevor meine Phantasie mit mir durchgeht, steht der Anstieg zur Hauptallee an. Noch ohne Mühe erklimme ich ihn und werde mit einem schönen Blick hinunter auf die Rückseite des Schlosses belohnt. Auf dem Weg die Allee hinunter bleibt er mir noch einige Meter erhalten. Zwischenzeitlich spiegelt es sich sogar herrlich im davor liegenden Teich. Zurück zum Parkplatz sind unmerklich noch einige wenige Höhenmeter zu nehmen, denn das Schloss befindet sich am tiefsten Punkt des Parks. Damit liegt die erste von insgesamt 8 abwechslungsreichen Runden hinter mir. Die übrigen werden sicher nicht leichter, denn jede einzelne hält noch etwa 50 Höhenmeter bereit.

Errichtet wurde Schloss Wilhelmsthal übrigens in der Mitte des 18. Jahrhunderts von Landgraf Wilhelm dem VIII. Als Lustschloss im Stil des Rokoko, das sich an den späten Barock anschloss, erbaut. Es gilt als eines der bedeutensten in diesem Stil nördlich des Mains. Der Park in seiner heutigen Form wurde um 1800 so gestaltet. Auch wenn diese Infos etwas dröge daherkommen, so attestiere ich den Erbauern trotzdem einen guten Geschmack. Ich freue mich auf die kommenden Runden, auch wenn ich diese ab jetzt allein unter die Füße nehme, da ich mein gleichmäßiges Tempo für meine Zielzeit von 4: 30 Stunden beibehalten will. Bis auf wenige Pärchenbildungen hat sich das Feld eh schon auseinandergezogen.

Die Temperatur ist für mich ideal. Kontinuierlich drehe ich meine Runden. Die Strecke mir ihren unzähligen Kurven bieten häufig die Gelegenheit, den Abstand zu den folgenden Läufern einzuschätzen. Nach und nach kann ich auch andere überholen. Gelegenheit, sich gegenseitig bei dieser anspruchsvollen Strecke Respekt zu zollen. Erst auf den letzten beiden Runden muss ich ab und zu eine Gehpause einlegen. Die Motivation schwindet ob der verbleibenden Steigungen ein wenig, zumal von hinten niemand mehr aufzulaufen scheint. Aber ich komme immer wieder ins Laufen und kann das Ziel in der geplanten Zielzeit tatsächlich erreichen. Dieser Marathon hat mir ob seiner Streckenführung sehr gefallen. Da bin ich gespannt, wie sich der Park im Winter, Frühjahr und Sommer präsentiert und weitere neue Eindrücke vermitteln wird. Denn eins ist sicher, dies war zwar mein erster, aber sicher nicht mein letzter Lauf hier. Da hat Bernd eine weitere schöne Laufstrecke aufgetan, die mehrfach im Jahr gelaufen sein will. Danke für das tolle Erlebnis.