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Reisefertig. Koffer sind wieder einmal gepackt. Wenn nur nicht das hartnäckige Schienbeinkantensndrom wäre. Damit „ausgestattet“ war ich mir ziemlich sicher, dass es für mich erst einmal keine Teilnahme an einem Marathon geben würde. Doch nicht das erste Mal machte ich dennoch die Erfahrung, dass mein Wissen nicht einmal ein der Bruchteil eines Halbwissens ist und musste meine Meinung ändern als ich mein Überlastungssyndrom zwei Wochen lang in der philippinischen Provinz von Einheimischen behandeln lassen hatte. Von Skeptizismus geleitet fragte ich mich ernsthaft ob das wirklich etwas bringen würde als man meine Schienbeine nachts jeweils links und rechts mit Baumrinden des Balete-Baumes ausstattete. Es war ein merkwürdiges Gefühl und wohl keinem Placebo-Effekt geschuldet, dass ich nach einigen Tagen Schmerzfreiheit unter Belastung feststellte. Es war auch nicht das erste Mal, dass mir hier die Heilmittel der Natur sozusagen nahe gebracht wurde. So erinnere ich mich an eine Situation in welcher ich während des Trainings unglücklich auf mein Knie fiel und eine tiefe und unentwegt blutende Wunde davontrug. Ein Einheimischer, dies bemerkend, kam mit einer Hand voller Blätter einer Pflanze auf mich zu und rieb die Wunde ein. Der Blutfluss stoppte sofort. Wie ich später erfuhr handelte es sich um Blätter der Moringa-Pflanze. So geht es also auch, dachte ich mir damals. Und ebenso dieses Mal war es ein echter Heureka-Effekt denn so konnte ich aus meinem Tunnelblick, welcher eine Teilnahme an einem Marathon keineswegs in den Focus genommen hatte, befreit und geheilt werden. Und zwei Wochen später stand ich dann an der Startlinie des ersten Davao International Marathon. 

In den letzten vier Jahren habe ich ca. die Hälfte der Zeit auf den Philippinen verbracht. Nachdem ich über die Jahre den nördlichen Teil der Philippinen mit den unterschiedlichsten Provinzen erkundet hatte und dort auch jeweils Marathon-, und Ultramarathonläufe absolvierte, wagte ich mich dieses Mal in den südlichen Teil, nämlich auf die Insel Mindanao, nach der Insel Luzon die zweitgrößte Insel der Philippinen, vor.  Auf dieser herrscht seit Ende Mai 2017 Kriegsrecht. Doch ebenso wie in allen Teilen der Philippinen wurde es auch in Davao schnell zur Gewohnheit vor dem Betreten eines größeren Einkaufszentrums einer Taschenkontrolle inklusive Leibesvisitation unterzogen zu werden. Neu war allerdings die starke Präsenz von Polizei und Militär im Stadtgebiet selbst und entlang der Marathonroute. In Istandbul war es im November 2017 jedoch auch so, dass vor dem Besteigen der Busse zum Start ein Spalier von Polizisten alle Taschen der LäuferInnen kontrollierten. 

Davao hatte mit Stand August 2015 mehr als 1,5 Millionen Einwohner und ist mit fast 2.500 km² die flächenmäßig größte Stadt der Philippinen. Hier befindet man sich immer auf einer Insel denn insgesamt umfasst der Staat 7.641 Inseln. Der größte Wirtschaftsfaktor Davaos ist die Landwirtschaft. Wer sich gerne von Früchten ernährt ist hier genau richtig, denn neben Bananen, Ananas und Kokosnüssen gilt Davao als Heimat der Durian. Diese wird auch als „Stinkfrucht“ bezeichnet und es ist verboten eine solche Frucht mit ins Flugzeug zu nehmen denn wenn diese aufgehen sollte würde sie ihrem Namen eine unrühmliche Ehre erweisen. Dennoch, ihr Fruchtfleisch ist süß und unvergleichlich. Gewarnt wird generell vor dem Konsum von Alkohol in Verbindung mit der Durian da dies zu schmerzhaften Bauchkrämpfen führen soll. In Davao ist das weniger ein Problem da hier Verhaltensweisen wie sie in anderen Teilen der Philippinen einfach hingenommen werden äußerst strikt geahndet werden. So ist das Überqueren der Straße außerhalb von Zebrastreifen untersagt, ebenso wie die Verwendung von Feuerwerkskörpern und das Rauchen. Und aktuell wurde auch das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt. Wer das hier nicht beachtet dem droht schnell eine für hiesige Verhältnisse saftige Geldbuße, eine Gefängnisstrafe oder beides. Für das Rauchen in der Öffentlichkeit wären dann 5.000 Peso, also umgerechnet 80,-- Euro, fällig. Die Gehälter sind auf den Philippinen sehr niedrig. So verdient eine universitär ausgebildete Krankenschwester 12-14.000 Peso im Monat. Dies sind 220 Euro. Ein Hausmädchen in Manila schafft es auf maximal 80,-- € im Monat, in Davao nur auf 40,-- €. Das betrifft eine 6-Tages-Arbeitswoche mit 12 Arbeitsstunden täglich. So ist es kein Wunder, dass 9 % der philippinischen Staatsbürger dauerhaft im Ausland arbeiten. Glück hat, wer zum Beispiel als Krankenschwester einen Job für 800 Dollar in Saudi Arabien erhält oder nach Singapur oder Hong Kong gehen kann. Wer das nicht schafft versucht es in einem der unzähligen Callcenter oder einer Abrechnungsagentur welche großteils aus den USA auf den Inselstaat outgesourct werden. 

Das diese Strafandrohungen Wirkung zeigen ist in der gesamten Stadt zu sehen welche ich im Kontext zu anderen Städten der Philippinen jedoch als angenehm sauber und auch sicher wahrnehme. Zumindest waren die Rahmenbedingungen wesentlich angenehmer als beim Marathon in Nord-Korea bei welchem ich im April 2017 teilgenommen habe.

Davao würde ich, was die Regeln und initiierter Selbstdisziplinierung angeht, als potenzielles „Klein-Singapur“ bezeichnen. Die Bürgermeisterin ist die Tochter des Präsidenten Duterte. Beide werden hier mehrheitlich von der Bevölkerung zutiefst verehrt. Für Besuche in anderen Regionen Mindanaos ist es jedoch ratsam sich vorher kundig zu machen. Das Kriegsrecht wurde nicht umsonst verhängt. Unterschiedliche Gruppen kämpfen aus unterschiedlichen Gründen für unterschiedliche Ziele. Das eine zu naive Einstellung durchaus ernsthafte Folgen haben kann zeigen die Entführungen der letzten Jahre welche fast allesamt auf der Insel Mindanao stattfanden und oftmals tödlich endeten. 

Davao grenzt an den Fuß des höchsten Gipfels der Philippinen, den Mount Apo, welcher sich 2.954 Meter über dem Meeresspiegel erhebt und für dessen Besteigung drei Tage eingeplant werden sollten. Die Vermittlung eines Tourguide kostet 65 Euro. Zelt und Ausrüstung werden, im Preis inbegriffen, zur Verfügung gestellt. 

Auf den Philippinen gibt es nach meiner Einschätzung wesentlich mehr Veranstaltungen im Ultrabereich als im klassischen Marathon. Neben dem etablierten Marathon in Cebu versucht es nun auch Davao indem hier der erste internationale Marathon durchgeführt wurde. Der Start erfolgte am 11.03.2018 früh morgens um 02:00 Uhr. Trotz Wasserstellen aller 2,5 Kilometer stattete ich mich mit einem Trinkrucksack aus. Im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung.

Wie üblich, bevorzugt es hier eine nicht geringe Menge an LäuferInnen, an solchen Wettkämpfen kostümiert teilzunehmen. Auch einige Barfußläufer waren zu sehen. Auf der Gesamtstrecke waren 500 Höhenmeter zu überwinden.

Während es im Stadtzentrum noch gut beleuchtete Straßen gab führte die Strecke später in einige Randgebiete in welchen eine Kopflampe benutzt werden musste. Das Feld verteilte sich und nach der Hälfte war ein Wendepunkt. Gegen 06:00 Uhr ging die Sonne auf und das Ziel näherte sich. Dort gab es dann ein sehr schönes Finisher-Shirt und eine tolle Medaille.