Der Luxor-Marathon war nur das Vorspiel. Der Hauptakt sollte der Marathon im Vatikan werden. Wir flogen also ohne Zwischenfälle von Kairo via Athen nach Rom. Der Transfer vom Flughafen in die Stadt mit der Leonardo-Express war schnell und problemlos. An der Endstation, dem römischen Hauptbahnhof, lernten wir allerdings schnell, was es bedeutet, in Italien zu sein. Streik – der Bus- und U-Bahnfahrer. Die Treppe zu der U-Bahnlinie zu unserem Hotel war mit einem Gitter abgesperrt, also gingen wir zum Busbahnhof. Die Busse fuhren aber nur sehr unregelmäßig, so dass die Fahrt zum Hotel etwas langwierig war. Dafür wurden wir umso freundlicher in dem familiengeführten Hotel Golden (sehr empfehlenswert!) in einem Stadthaus direkt gegenüber dem Park Borghese. In diesem Park sollte morgen der Schlussteil des St. Peter´s Marathon stattfinden. Zumindest hatte der Amerikaner Brent, ein echter Marathonweltenbummler mit über 160 Länderpunkten, in der Ausschreibung angekündigt. Darum hatten wir unser Hotel nahe des Petersplatzes (dem Start) umgebucht (zum Ziel). Von der Schwester aus dem Direktionsteam bekamen wir bereits eine gute Einweisung, wie die Stadt vom Hotel aus zu erkunden wäre. Wir wanderten durch den Park und fuhren weiter zum Vatikanischen Museum. Da kamen gerade die letzten Besucher raus und als wir die abgetrennten Spuren auf dem Bürgersteig für die Warteschlangen sahen, buchten wir sofort online eine Führung, so dass wir am nächsten Tag nicht in der Warteschlange stehen würden. Dann ging es weiter auf den Petersplatz und wider Erwarten konnten wir um die Uhrzeit noch die Sicherheitskontrolle in den Petersdom passieren. Perfekt, denn das hatten wir 2006 bei unserem ersten Besuch zum Rom-Marathon nicht geschafft. Wir waren begeistert und beeindruckt und fragten, wie die Teilnahme am Gottesdienst möglich ist. Denn das es möglich ist, hatte ich bereits vorab recherchiert. „Einfach morgen früh vorbeikommen“, sagte der junge Mann, der die Gottesdienstteilnehmer in einem Seitenflügel vor den Touristen abschirmte. Nachdem wir den Rückweg per Bus bei strömenden Regen zurücklegten, fragten wir uns schon, wie wir uns aufwärmen sollten. Das war aber überhaupt kein Problem, denn einer der freundlichen Gastgeber hatte die Klimaanlage auf Heat gestellt und wir kamen in unser kuschelig-warmes Hotelzimmer, wo sogar Schuhe und Kleidung schnell trocknete. Am nächsten Morgen trafen wir bei einem sehr leckeren Frühstück, welches die Mama der Familie zubereitete, Lichu, die Amerikanerin mit taiwanesischen Wurzeln, mit der wir bereits manche Marathonschlacht geschlagen hatten. Leider hatten wir nicht ganz so viel Zeit, ihre Berichten aus Vietnam anzuhören, denn wir hatten schließlich einen Termin zum Gottesdienst im Petersdom. Heute fuhr die U-Bahn wieder und wir überquerten den Tiber oberirdisch und beeilten uns durch die Sicherheitskontrolle zum Josefsaltar. Genau rechtzeitig, die Hl. Messe fing gerade an. Es waren zwar nur 10 Besucher dort, davon 5 Nonnen, doch für uns war es großartig, nach dem Gottesdienst vor 10 Monaten in Bethlehem nun auch hier dabei zu sein. Den Klingelbeutel trug der junge Mann vom Vorabend durch die Reihen – wir erkannten uns. Danach ging es einmal außen herum zum Eingang der Vatikanischen Museen. Vorbei an der langen Menschenchlange und den Verkäufern von Touren, die auf ihre Opfer lauerten. Die Führung durch die Museen, mit der Sixtinischen Kathedrale (in der das Fotografierverbot sehr scharf kontrolliert wird) als Finale, war ein Gewinn, denn die Informationen, die wir von unserer amerikanischen Führerin bekamen, waren goldwert. Höchst unwahrscheinlich, dass wir es sonst so schnell und gezielt durchwandert hätten, denn es sind sehr viele Exponate, Gemälde, Wandteppiche, usw. zu sehen. Und wir hätten wohl auch niemals gelernt, dass Michelangelos Neider, der dem Papst vorgeschlagen hatte, ihn zu feuern, auf Deckengemälde „Das jüngste Gericht“ in der unteren Ecke als Satan dargestellt ist. Außerdem erfuhren wir, wie wir in die Kuppel des Peterdoms und in die Gruften gelangen würden. Nachdem die Führung im Petersdom geendet hatte, bestiegen wir die Kuppel. Man hätte auch den Aufzug benutzen können, der allerdings nur die halbe Strecke schafft, den Rest muss man sowieso gehen. Hat sich aber gelohnt, denn sowohl der Blick aus dem Umlauf über dem Hauptaltar in den Petersdom als auch die Aussicht über Rom, den Petersplatz und die Vatikanischen Gärten war bei Sonnenschein herrlich. Nach dem halben Abstieg nahmen wir auf der Dachterrasse noch einen Cappuccino. Zwar aus Plastiktassen, dafür aber zur großen Überraschung zu einem normalen Preis. Danach warfen wir unsere Postkarten in den hier aufgestellten Briefkasten. Jetzt hieß es noch abend essen – wir suchten auf dem Weg zur Vorbesprechung (Brents Hotel lag Rücken an Rücken mit unserem) noch mal das große M auf, um uns dort risikolos zu stärken. Bei der Vorbesprechung gab es bereits in der Lobby ein großes Hallo: wir trafen Mirko (mit Tina), Jens (mit Yvonne) und Keule („Mein Name ist Klaus. Mir geht es gut.“) von unserem 100 Marathon Club, die ebenfalls einen der begehrten 25 Startplätze ergattert hatten. Dazu kamen unsere internationalen Freunde aus den Niederlanden, USA, Ungarn, Finnland und Dänemark. Brent zeigte uns auf einem Stadtplan die Laufstrecke; er hatte sie nach seiner Ankunft geändert, da das Risiko des Verlaufens vom Westufer zum Park zu groß erschien. Nun sollte es also nach dem Abstieg an der Engelsburg zum Tiberufer 5-mal eine Wendepunktstrecke sein. Egal, Hauptsache, wir waren dabei. Der Treffpunkt und Uhrzeit für den nächsten Tag wurde vereinbart, die Medaille gezeigt und die laminierten Startnummern ausgegeben, die Brent Ehefrau Sue vorzuzeigen waren, wenn man das Rundenende erreicht hatte. Nach einer üblich kurzen Nacht frühstückten wir auf dem Zimmer und gingen mit Lichu zu Brents Hotel, denn sie wollte mit ihm Taxi fahren. Wir gingen zur U-Bahn und trafen dort Mirko. Jens wollte sich lieber einlaufen. Am Petersplatz waren wir die ersten. Die anderen trudelten ein, die Absperrungen wurden geöffnet und wir gingen zum zentral aufgestellten Obelisken zum Startfoto. Jaap hatte sogar eine passende Flagge dabei. Brent gab den Start frei und wir gingen in Ruhe vom Petersplatz, bogen an der Absperrung nach links ab und umrundeten dann einmal den kompletten Vatikanstaat! Nach gut 3 km wieder am Petersplatz angekommen ging es nach Osten in Richtung Tiber. Als wir die Engelsburg erreichten, nahmen wir die Treppe zum Flussufer. Dort wartete bereits Sue und wir deponierten unsere mitgebrachte Eigenverpflegung und legten die Kleiderbeutel ab. Ich wünschte Doris einen guten Lauf, auch wenn wir uns gleich auf der Wendepunktstrecke mehrmals sehen würden. Es ging an ein paar angeleinten Restaurantschiffen und Sportclubschiffen, die als Bootlagerplatz und Umkleide dienten vorbei. Später sollten noch Ruderboote beim Training dazu kommen. Außerdem liefen wir unter 5 Brücken hindurch, die den Lauf kurzweilig machten. Die Strecke war asphaliert bzw. gepflastert und somit gut zu laufen. Später am Vormittags waren dort auch andere Läufer und Radfahrer unterwegs. Da ich bei der Auftaktrunde bei Doris geblieben war, war ich etwa in der Mitte des Teilnehmerfelds als ich auf die Wendepunktstrecke ging. Ich konnte einige Läufer überholen und war gespannt, wann mir die ersten entgegenkommen würden. Als ich zum vereinbarten Wendepunkt (die erste Ampel die zu kreuzen wäre) kam, stand dort Brent, aber ich hatte noch keinen „Gegenverkehr“. Brent und ich fragten uns, wo wohl die Läufer vor uns geblieben waren, liefen dann jedoch logischerweise weiter. Doch auch auf dem Rückweg sah ich nicht alle, die ich hinter mir erwartet hatte. Offensichtlich gab es Gelegenheiten, sich zu verlaufen. Tja, des einen Pech, …. : ich war offensichtlich der Führende, wartete aber erstmal ab, wie sich alles entwickeln würde. Nach und nach tauchten die verlorenen Schafe auf der Strecke auf und absolvierten nun wie ich die 5 Wendepunktteilstücke. Das Wetter war bei 8-10° C meistens heiter, bis auf einen kurzen Sprühregenschauer. Das wir nach der Wendepunkt Richtung Süden liefen, vermisste ich manchmal meine Sonnenbrille. Dafür war die ¾-Tight und Laufhemd, und später sogar T-Shirt, perfekt gewählt. Im Läuferfeld änderte sich nichts mehr, so dass ich etwas über 4 Stunden als erster Läufer von Sue meine Medaille überreicht bekam. Ich wartete natürlich auf Doris, die bei Mirko in bester Begleitung war. Zwischendurch applaudierte ich den weiteren Finishern und motivierte diejenigen, die noch ein bisschen durften. Doris und Mirko finishten noch sub 6. Nach dem Umziehen ging es per U-Bahn zurück zum Hotel: Pizza essen, Duschen und Relaxen. Auf das Fussballspiel im gar nicht so weit entfernten Olympiastadion zwischen Rom und Turin hatten wir zum Glück verzichtet, denn die Fernsehbilder zeigten, dass das Stadion nicht überdacht ist und es aus Eimern regnete. Wir gingen dafür abends noch zum Kolloseum – schließlich war man in Rom – und zum Trevi-Brunnen. Beides gut besucht: am Brunnen rannten sogar „Fotografen“ mit Sofortbildkameras rum, die ihren „Opfern“ ihre Fotodienste anboten. Nach opulentem Frühstück (jetzt konnte ja nichts mehr schief gehen) fuhren wir wieder zum Petersplatz, denn um 12 Uhr sollte Papst Franziskus das Angelusgebet sprechen. Es war nicht überfüllt, so dass wir sehr gut und ohne Gedränge zu dem Fenster raufschauen konnten. Als der Papst pünktlich am Fenster erschien, war die Begeisterung groß – besonders bei den Mitgliedern einer Jugendgruppe mit panamaischen Flaggen, die zum Weltjugendfest nach Panama reisen wollten, der 3 Tage später begann. Diese Gruppe wurde von Papst Franziskus namentlich begrüßt. A propos Weltjugendtag: hätte Brent den Marathon eine Woche später veranstaltet, wären wir nicht in den Genuss einer „Papstaudienz“ gekommen, denn an dem Sonntag war der Papst in … Panama. (Glück gehabt!) Damit ihn übrigens alle gut sehen können, sind vier Videoleinwände auf dem Platz aufgestellt. Nach diesem Vis-a-vis gingen wir nochmal in den Petersdom – ohne weitere Sicherheitskontrolle, da alle Besucher bereits beim Betreten des Platzes kontrolliert wurden. Vor dem Hauptaltar bildete sich eine kleine Warteschlange, und einige Personen durften den jungen Mann, der sie befragte, passieren. Die Passwort lautete „Messe“ und wir durften ebenfalls hinein zum Gottesdienst am Kathedra-Altar hinter dem Hauptaltar. Den Klingelbeutel trug wieder unser junger Freund und wir mussten alle schmunzeln, als wir uns begegneten. Jetzt „spendeten“ wir unser Startgeld, denn Brent hatte auf einen Beitrag verzichtet und sich vielmehr eine Spende im Petersdom gewünscht. Diesem Wunsch kamen wir nun nach. Der Rest ist schnell erzählt: mit der U-Bahn zum Hotel, Reisetaschen holen und weiter zum Hauptbahnhof. Umsteigen in den Leonardo-Express. Unsere Töchter angerufen, dass der direkte Flieger pünktlich ist und in Hamburg von Jenny mit ihrem „Taxi“ in Empfang genommen worden. Das war die Geschichte vom 55. (und letzten noch fehlenden) Länderpunkt in Europa – dem 77. Länderpunkt gesamt.

Doris und Mario


Fotos 3, 9, 10, 11, 13, 14: Mirko Leffler
Foto 12: Brent Weigner