Nun ist es also so weit, dass Doris ihren eigentlichen Marathonreisegeburtstagsgutschein einlösen konnte. Zwischenzeitlich hatten wir seit Januar eng geplant, um die 19 bzw. 24 fehlenden Marathonläufe bis zu unserem gemeinsamen Jubiläum zu erreichen.
Mittwoch morgen ging es los über Kopenhagen mit SAS und von dort weiter mit Air Greenland nach Kangerlussuaq, dem Umsteigeflughafen auf Grönland und von dort mit einer Propellermaschine nach Aasiaat. An der Westküste Grönlands am südlichen Ende der Diskobucht gelegen. Die fünftgrößte Stadt mit gut 3.000 Einwohnern, dem Versorgungshafen für ganz Nordgrönland, einem Krankenhaus und einem von 3 Gymnasien. Der Flughafen war recht klein und es gab nur ein Taxi – und das war offensichtlich bestellt. Auch das zweite war vorbestellt, so dass wir mit unseren Reisetaschen losgingen, um die lt. Google maps 3,8 km zu Fuß zu bewältigen. Die Sonne schien, es war mild; also kein Problem. Nach der halben Strecke und dem ersten Anstieg, den wir später beim Marathonlauf 4-mal zu bewältigen hatten, nahm uns ein freundlicher Grönländer in seinem VW-Bus mit und setzte uns direkt vor unserem Hotel, dem Seemannsheim, ab. Nach dem Einchecken fand sich auch gleich die Antwort auf unsere erste Frage, mit wem wir denn eine Bootsfahrt auf die Diskobucht machen könnten. Der Manager des Hotels bot solche Fahrten an und wir buchten für den Nachmittag. In der Zwischenzeit machten wir den ersten Erkundungsspaziergang durch den Ort, meldeten uns in einer Boutique mit angeschlossenem Sportgeschäft zum Marathonlauf an. Erst jetzt waren wir richtig sicher, dass wir auch laufen würden, denn die Veranstaltung hat keine Homepage. Es gibt zwar eine facebook-Seite, wo der Termin angekündigt wurde, nur das meiste wurde dort auf grönländisch geschrieben und dafür gibt es keine Übersetzungshilfe. (Die meisten Informationen hatten wir deshalb von den Country Clubbern Jürgen Sinthofen (Reisebericht) und Klaus Westphal (Hotelempfehlung, Anreise) bekommen. Danke dafür!)
Allerdings wurden wir etwas blass, als wir feststellten, dass wir 2 Tage vor dem Start die Anmelder 2 und 3 für den Marathonlauf waren. Das veranlasste uns, jeden Tag wieder in das Geschäft zu gehen und nachzufragen, wieviele Anmeldungen inzwischen vorlägen. Beim zweiten Besuch teilte uns der englischsprechende jüngere Verkäufer mit, dass Marathonis 42% Rabatt auf den Normalpreis bekämen. So schauten wir also das ganze Sortiment durch. Außerdem wurden wir beim zweiten Mal von einem Dänen angesprochen, der seit 28 Jahren auf Grönland lebt und inzwischen grönländisch ganz gut versteht. Sprechen, meint er, wäre allerdings utopisch. Der stellte uns dann dem langjährigen Veranstalter Hans vor.
Am Nachmittag des Anreisetags fuhren wir mit dem Hotelmanager auf die Bucht, schauten die phantastische Vielfalt der Eisberge an, wobei wir mit unserem Boot ehrfürchtig den erforderlichen Sicherheitsabstand einhielten, denn die Brocken zeigen bekanntlich nur 10% ihrer Größe über der Wasserlinie. Danach ging es weiter zum Wale schauen und wir hatten Glück, dass sich zwei Stück immer wieder zeigten. Durch die außerordentliche Ruhe konnten wir das Luftauspusten ungestört hören und beobachten. Am späten Abend, kurz vor Mitternacht, zogen wir aus dem Hotel wieder los auf Entdeckungstour, denn die Sonne schien und diese Gelegenheit der Mitternachtssonne wollten wir ausnutzen. Wenn wir tagsüber die Sonnenbrille trugen, nahmen wir sie nachts sicherheitshalber auch mit, brauchte man aber nicht. Überall waren Leute unterwegs, die übrigens alle freundlich grüßen, was wir nach kurzer Zeit sehr genossen. Im Hafen wurde zwischen den Containern Fussball gespielt, Kinder waren auch noch auf den Spielplätzen (dazu Jan: „Wir rufen die Kinder rein, wenn es dunkel wird. Hahaha.“) oder die Menschen saugten auf Bänken sitzend die Bilder der tiefstehenden Sonne über der Bucht, den Schäreninseln und den Eisbergen auf. Am nächsten Morgen (oder ein paar Stunden später) nahmen wir ein prima Frühstück in dem Speiseraum des Seemannheims ein, in dem sich auch Arbeiter aus den umliegenden Firmen oder Familien mit Kindern (es sind gerade Sommerferien) ein. Anhand der vorab veröffentlichten Streckenkarte liefen wir die Strecke ab, die bereits überall mit Pfeilen markiert war. Da wir aber mit keiner allzu großen Teilnehmerzahl beim Marathon rechneten, wollten wir sie vorher schon mal erkunden. So kamen wir durch Wohngebiete, vorbei an einem Felsen mit 24 Schlittenhunden (angekettet! Zum Glück, denn im Reiseführer stand, dass sie im Sommer nur 2.mal pro Woche Fressen bekommen –später erzählte uns der Marathonsieger, dass er seine 14 Hunde täglich füttert.), am Gymnasium, an dem Gemeinschaftshaus für die Siegerehrung incl. Abendessen, an dem Geschäft mit der Anmeldung, am Hafen, am Krankenhaus, an der Sporthalle und die Straße zum Flughafen entlang. Diese 10,5 km-Runde war am Freitag 4-mal zu absolvieren. Insgesamt sollen es 700 Höhenmeter gewesen sein. Ich habs nicht gemessen, aber bestenlistenfähig ist die Strecke definitiv nicht. Umso exzellenter die Siegerzeit in 2:57 Stunden – auf meine Frage, wie schnell er denn auf einer flachen Strecke wäre, erwiderte er, dass er in Berlin ebenfalls um die 2:55 gelaufen wäre.
Am Lauftag traf ich nachmittags den Organisator, einen örtlichen Radiomoderator und Lokalpolitiker. Er meinte, dass so ca. 7 Marathonis angemeldet wären, dass im nächsten Ort (nur per Flugzeug oder 1,5 stündiger Bootsfahrt zu erreichen) heute auch ein Orientierungslauf stattfände. Inzwischen hatten wir uns entschieden in lang zu laufen – am ersten Abend hatten wir bei mildem Wetter noch über kurze Hose und Langarmshirt nachgedacht, doch war es inzwischen etwas windiger geworden. Um 20 Uhr standen wir mit 10 weiteren Marathonis, davon 3 Damen an der Startlinie. Wir wurden von allen mit Handschlag begrüßt. Als die Bürgermeisterin eine Rede hielt, bekamen wir den Hinweis, dass gerade von uns die Rede sei. Kurze Zeit später bekamen wir einen Sonderapplaus – scheinbar hatte sich rumgesprochen, dass wir heute etwas Besonderes vorhatten. Als der Startschuss fiel, fielen wir schnell ans Ende des Marathonfeldes zurück und auch viele von den etwas weiter hinten gestarteten 4,2- und 10-km-Läufern überholten uns. Nach der Passage durch die Oberstadt liefen die 4,2-Läufer schon wieder Richtung Ziel, so dass es etwas übersichtlicher wurde. Man konnte also die Strecke in Ruhe kennenlernen und sich Läufer zum Hinterhertraben suchen. Erstmal „mentale Kraft“ sparen, denn die letzten 2 Runden würden sehr übersichtlich werden, bei nur 12 Marathonläufern. Es gab 3 Verpflegungsposten, wobei einer doppelt angelaufen wurde, und eine Art Fruchttee war ganz lecker, so dass die Sorge, man müsse eigene Flasche mit Cola mitschleppen schnell verworfen wurde. Das Getränk war auch bis zu Doris´ letztem Durchlauf auf dem Tisch – alles prima. Das Wetter war bis zum Ende sonnig bis heiter. Der leichte Sprühregen, den Doris auf der letzten Runde abbekommen hat, war unkritisch. Es war ein einmaliges Gefühl, um 0 bzw. 1 Uhr nachts bei Sonnenschein ins Ziel einzulaufen. Direkt nach dem Zieleinlauf gab es Medaille und eine Topfblume bei der flower ceremony. Nun waren wir doch ein bisschen geschafft und freuten uns, dass wir bis 10 Uhr Zeit hatten, zum Frühstück zu gehen. Nach einer weiteren Bootsfahrt (die Eisberge waren einfach zu faszinierend und das Wetter wieder sonnig!) gingen wir abends zu der Siegerehrung. Nach einem leckeren Essen in Büffetform dankte der Veranstalter Hans allen Helfern, Unterstützern und den Sponsoren. Teile seiner Ansprache wurden extra für uns von einer jungen Dame übersetzt, so dass wir im Groben wussten, worum es ging. Ansonsten hatten uns die Marathonis, mit denen wir am Tisch saßen, auf dem Laufenden gehalten. Nach der Rede folgte die Siegerehrung, bei der sowohl alle 4 Läuferinnen und die 7 anwesenden Läufer auf der Bühne ihre Urkunden erhielten und je nach Platzierung Blumensträuße und Umschläge. Im Anschluss überreichten Doris und ich uns gegenseitig die Jubiläumsurkunden, wobei die junge Dame diesmal auf grönländisch übersetzte. Als wir die Bühne verließen, mussten wir dann viele Hände schütteln. Zum Abschluss fand noch ein Gesangswettbewerb zwischen Männern und Frauen statt, bei dem alle Anwesenden mitsangen. So endete die Siegerehrung und wir gingen im Hellen zurück ins Hotel. Im Reiseführer hatten wir gelesen, dass von Mitte Mai bis Mitte Juli die Sonne nicht untergeht. Bei unserer abendlichen Unterhaltung erfuhren wir, dass es in Aasiaat im Winter gefühlt 6 Monate dunkel ist – ob es tatsächlich so ist oder eher gefühlt, kam bei dem Gespräch nicht heraus. Nach dem Frühstück am Sonntag ging es auf demselben Weg per Flugzeug zurück nach Kopenhagen. Geplant – und gebucht – war der direkte Weiterflug nach Hamburg. Allerdings hatte SAS den Flug kurz nach unserer Buchung gestrichen, jedoch vergessen uns zu informieren. Egal, wir bekamen Hotel-, Essen- und Taxigutscheine und flogen am Nachmittag des nächsten Tags. Zuhause angekommen, schenkte mir Doris zum Jubiläum einen grönländischen (Schleich)-Eisbären auf einer Eisscholle.
Nun ist sie erzählt, die Geschichte von Doris´ 400. und meinem 600. Marathon sowie unserem 70. Länderpunkt, dem vorletzten in Europa.
Doris und Mario