Auf der Liste der weltschnellsten Marathonläufe liegt Seoul aktuell auf Platz 8. Dieses Ranking ergibt sich durch die Addition der jemals auf der Strecke von einem Mann und einer Frau erzielten Bestzeit. Der Lauf hat eine lange Tradition. Seit 1931 wird in Seoul – mit kriegsbedingten Unterbrechungen – ein Langstreckenrennen ausgetragen, jedoch erst ab 1964 über die klassische Distanz. Daher ziert die Finisher Medaille für das Jahr 2017 auch die Zahl 88. 

Ein Besuch der südkoreanischen Hauptstadt stand schon lange Zeit auf meiner persönlichen Wunschliste doch die Anmeldeprozedur gestaltete sich als überaus schwierig. Auf der Homepage des mit einem Gold Label der IAAF ausgezeichneten Laufes waren nur wenig Informationen in englischer Sprache verfügbar. Die Benutzerfreundlichkeit der Homepage für internationale LäuferInnen scheint jedenfalls kein Kriterium für dieses Label zu sein. 

Im ersten Schritt der Registrierung wurden die persönlichen Daten abgefragt. Nach Absenden der Daten druckte ich mir diese Seite aus, was sich im Nachhinein als sinnvoll erwies. Die Startgebühr entrichtete ich auf das angegebene Bankkonto in Seoul, jedoch wurde mir der Betrag ca. zwei Wochen vor dem Start wieder auf mein Konto zurück erstattet, obwohl ich die Kontodaten korrekt eingegeben hatte. Flug und Unterkunft waren bereits gebucht, jedoch war das Startgeld, obwohl angewiesen, nicht beim Veranstalter eingegangen. Ich informierte den Veranstalter mit einer e-Mail, dass ich die Startgebühr vor Ort zahlen möchte, erhielt jedoch keine Antwort. Einen Tag vor dem Marathon erreichte ich Seoul und bei der Startnummernausgabe teilte man mir mit, dass meine Teilnahme nicht möglich sei, da die Registrierung geschlossen wurde und mein Name, da kein Geldeingang zu verzeichnen war, nicht im System zu finden sei. Zum Glück hatte ich alle Unterlagen dabei, also auch die Kopien meiner Anmeldedaten und der Rückbuchung des Startgeldes. Nach endloser Diskussion mit Mitarbeitern, welche aufgrund der Sprachbarriere gar nicht nachvollziehen konnten, was mein Anliegen war, fand sich dann aber zum Glück eine englischsprechende Mitarbeiterin, welche mir eine Nachregistrierung zusagte. Ich könne meine Startnummer eine Stunde vor dem Start am Informationsschalter abholen und sollte meinen Reisepass als Nachweis mitbringen. Normalerweise erscheint es ja sinnvoll, keinen Stress vor einem Marathonlauf zu haben, doch Zweifel, ob denn doch noch ein Start möglich wäre, kamen auf. Der Start war für 08:00 Uhr vorgesehen. Um 07:00 Uhr stand ich vor dem Informationszelt beim Startareal und tatsächlich war die Mitarbeiterin, welche mir am Vortag die Startnummer zusicherte, anwesend und ich erhielt meine Unterlagen. Selbst mein Hinweis, ich wolle im Startblock B starten, wurde berücksichtigt. Schnelles Umkleiden war angesagt. Für den Kleidertransport waren ca. 30 Lastwagen übersichtlich aufgestellt und mit den jeweiligen Nummern markiert. Exakt 07:30 Uhr fuhren diese Fahrzeuge los und eine Abgabe der Wechselkleidung wäre nicht mehr möglich gewesen.

Immer mehr der geschätzten 20.000 TeilnehmerInnen versammelten sich auf dem Gwanghwamun-Platz im Zentrum Seouls. Dort befindet sich der Gyeongbokgung Palast, welcher zwischen 1395 bis 1592 und von 1868 bis 1910 Sitz der koreanischen Herrscher war. Gwanghwamun ist der Name des Palasttores. Auf dem Platz befinden sich zwei markante Statuen, die von Yi Sun-sin, einem koreanischen Militärführer aus dem 16. Jahrhundert und die von Sejong, welcher der vierte König  der Joseon-Dynastie war. Die Joseon-Dynastie bestand von 1393 bis 1910, als Korea vollständig durch das Japanische Kaiserreich kolonialisiert wurde. Diese Kolonialherrschaft endete erst nach der Kapitulation Japans 1945 mit der Übergabe der Provinz an die US-amerikanische Siegermacht und der Gründung der Republik Korea am 15. August 1948.

Der Start erfolgte pünktlich in mehreren Wellen. Mit 6 Grad Celsius noch recht frisch, sollte es später schnell wärmer werden. Vorbei ging es am Namdaemun, einem von drei verbliebenen historischen Stadttoren. Danach durch die Stadt, bis bei Kilometer 35 die Brücke über  den Hangdang Fluss überquert wurde. Von dort war dann auch schon der Lotte World Tower und das Olympiastadion zu sehen. Der Turm ist mit einer Höhe von 555 Metern das höchste Gebäude des Landes sowie das Fünfthöchste der Welt. Das Lotte Unternehmen ist ein multinationaler Mischkonzern. Der Name Lotte wurde von der Hauptfigur Charlotte aus dem Roman „die Leiden des jungen Werther” abgeleitet den der Firmengründer Shin Kyuk-ho 1941 im Alter von 19 Jahren gelesen hatte. 

Alle 5 Kilometer gab es Wasser, Iso und später auch Bananen sowie ab Kilometer 7,5 Schwämme. Bei Kilometer 37 wurden die LäuferInnen des 10 Kilometer-Laufes mit der Hauptstrecke zusammengeführt, was zu zeitraubenden Überholmanövern führte. Von Beginn an hatte ich mich an einem zuverlässigen Pacer orientiert, welcher zur richtigen Zeit das Tempo beschleunigte oder eben reduzierte und mir am Ende bei meinem 125. Marathon die Qualifikation für Boston einbrachte.

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