20. Juni. Für was soll ich mich entscheiden?
Da gibt es den Fidelitas Nachtlauf über 80 km in Karlsruhe. Ist mir zu lang.
Alternativ den Nachtmarathon dort. Wäre schon eher was.
Stüde mit der Mitgliederversammlung. Fast Pflicht, aber erneut weite Anreise und ich möchte, wenn irgend möglich, meine Mutter nicht die ganze Nacht allein im Haus lassen. Das war schon bei den letzten Läufen mit einer Übernachtung sehr schwierig.
Und da gibt es die Premiere des Trailmarathons in Bad Wildbad. Nur 65 km von zu Hause entfernt eine wirklich überlegenswerte Sache, für die ich mich letztendlich entscheide.

Schon im April hatte es einen neuen Trailmarathon in Herrenberg gegeben, noch näher gelegen, aber als Leichtathletik Kampfrichter hatte ich an diesem Tag einen Einsatz. Auch ein Grund, Bad Wildbad zu wählen.

In der Ausschreibung wird eine Startzeit von 14:00 Uhr angegeben. Zielschluss ist um 20:30 Uhr. Macht 6 1/2 Stunden und müsste trotz gut 1550 Höhenmetern verteilt auf vier gleiche Runden normaler Weise zu schaffen sein.
Trotzdem bin ich skeptisch. Wie würden die Temperaturen sein? Bei über 30°C wie kürzlich beim Schefflenzer Ultra, würde ich diese Zeit definitv nicht schaffen.

Die Temperaturen sinken aber im Laufe der Woche und am Samstag früh, als ich um 8:30 Uhr kurz beim heimatlichen Sportverein bin - Fotoshooting der Sportabzeichenprüfer für einen Aushang -, ist es mit 12,5 °C angenehm kühl. Es hat zwar den Anschein, als liesse sich die Sonne gleich blicken, dennoch, ein Hitzelauf wird es heute nicht.

Nach leichtem Mittagessen breche ich um kurz vor 12:00 Uhr nach Bad Wildbad auf, das ich eine Stunde später erreiche. Eine Adresse hatte ich allerdings in der Ausschreibung nicht gefunden, nur dass der Start an der Trinkhalle sei. Also vorher mal gegoogled nach "Trinkhalle Bad Wildbad" und tatsächlich findet man eine Adresse, die ich dann ins Navi eingegeben hatte. Das Navi führt mich im Ort nach oben und an einem Parkhaus an der Therme ist das Ziel erreicht.
Parkplätze an der Straße gibt es nur zeitlich befristet, also beiße ich in den saueren Apfel und gönne mir das Parkhaus, was 7 € kosten wird.

Schon während der Hinfahrt hatte es zu regnen begonnen, die Temperaturen lagen teilweise bei unter 9°C. Wahrlich kein Sommertag heute. Doch wo ist die Trinkhalle und wo gibt es überhaupt die Startunterlagen? Hier oben am Parkhaus ist auf jeden Fall tote Hose, was Marathonläufer anbetrifft. Auch gibt es nirgendwo einen Hinweis.
Ich gehe in die Therme und frage an der Kasse. Von einem Marathonlauf wusste die Dame nichts, meinte, dass es wohl einen Trailwettbewerb für Mountenbiker geben würde.
Oh je. Bin ich etwa im falschen Film? Noch 45 Minuten sind es bis zum Start. "Fragen sie doch im Tourismusbüro unten in der Stadt, da kommen Sie schnell hin, denn mit dem Aufzug können sie runter fahren und dann sind es nur ein paar Meter geradeaus und dann links".
Ok, was bleibt mir auch anderes übrig. Auf dem Weg zum Tourismusbüro ziehen sich zwei Läufer an einem Auto um. Sie können mir den Weg zur Startnummernausgabe direkt am Start-/Zielbereich beschreiben, es sind nur wenige hundert Meter.
Wegen des Regens und der knappen Zeit gehe ich gleich nach Erhalt der Startnummer - mehr gibt es bei der Startnummernausgabe nicht - den Berg hoch zum Parkhaus. Der Weg ist auch Teil der Laufstrecke.
Zeit zum Umziehen ist noch genug. Bei rund 10°C ist das Langarmshirt und eine Weste angesagt.

Clubmitglied Ulrich T. treffe ich kurz vor dem Start. Auch er hat sein Auto oben im Parkhaus stehen.
Pünktlich um 14:00 Uhr geht es dann für uns Marathonläufer los. Von 30 TeilnehmerInnen ist die Rede. Vier davon werden als Team-Teilnehmer aber nur eine Runde laufen. Zwei weitere Team-Teilnehmer laufen zwei Runden. Kein Wunder, dass da keine große Läuferschar im Ort zu sehen war.

Das Streckenprofil habe ich im Internet studiert. Nach etwa 200 Metern geht es schon los mit dem Anstieg, der sehr kräftig bis km 2 gehen wird. Danach sollte das Gröbste überstanden sein. Die Frage ist nur, wie gut sind die Bergababschnitte belaufbar?

Anfangs läuft das Feld die ersten Steigungen hoch, bis eine Straße neben dem Parkhaus schon recht steil ansteigt und zur ersten Gehphase zwingt. Wenig später wird es gar noch steiler. Schon gehend ist das ganz schön anstrengend.
Bei km 1 beginnt dann der Trailanstieg im Wald. Eine erste Verpflegung davor ist eingerichtet. Da kann man schon mal kurz durchschnaufen.

Wie erwartet geht es steil nach oben, wobei es serpentinenartig geht und der Laufweg dadurch etwas flacher wird. Aber es ist sehr grobsteinig, so dass das Ganze oft zum Treppensteigen wird.
Nachdem gut die Hälfte dieses Kilometers geschafft ist, folgt bereits Verpflegungsstation Nr. 2.
Angeboten wird Wasser Cola, Red Bull und Banane. Ich begnüge mich zunächst mit Wasser. Tee hätte ich mir gewünscht, gibt es aber nicht. Iso haben sie hier auch, wäre etwas für spätere Runden.

Bei km 2 ist der steile Trailabschnitt geschafft. Wir sind an der Bergstation der Sommerberg Bahn.
Bis hierher haben wir schon 300 Höhenmeter nach oben bewältigt auf den letzten 1,8 km! Aber ab hier kann ich wieder laufen und kurz später ist der Wanderweg auf dem Sommerberg erreicht. Wir dürfen bald rechts abbiegen auf ein wirkliches Highlight, den Baumwipfelpfad. Ein gut 700 Meter langer, gleichmäßig leicht ansteigender Holzweg, der am Ende zu einem Aussichtsturm führt. Hier müssen wir zum Glück nicht hoch, sondern laufen am Ende des Baumwipfelpfads endlich mal ein paar Meter im Kreis hinunter.

Dann wird es angenehm. Breiter flacher Schotterweg, oft leichtes Gefälle. Da kann man es laufen lassen und die im Anstieg verlorene Zeit wieder hereinholen. Zu meiner großen Freude geht das sehr lange. Meine Marschroute sind 1:30 h für die ersten 3 Runden. Das ergäbe ein Polster für die letzte Runde.

Etwa bei km 7 beginnt der Trailteil bergab. Erst einige Meter über Gras, dann auf Waldboden. Natürlich gibt es da und dort Wurzeln, auch steinige Abschnitte, aber ich kann das laufen. Nur einmal ist der Weg wegen umgestürtzter Bäume blockiert. Da geht es dann als Umleitung einige Meter steil hinunter. Ich gehe das ganz vorsichtig. Der Boden ist hier aber ganz weich, so dass ein Sturz wohl keine schlimmen Folgen hätte.

Dann folgt bei km 8 wieder ein kurzer Schotterweg bevor es weiter auf dem Trailpfad geht. Erst jetzt folgt der 3. VP. Da hat man die Verpflegungsstationen schon etwas eigenartig verteilt. Heute ist dies aber wegen der niedrigen Temperaturen nicht schlimm. Anschließend geht es auf der Straße schön bergab, bis ein letzter Trailabschnitt folgt. Dann ist das Tal erreicht. Einen guten Kilometer haben wir auf ebener Asphaltstrecke noch zu laufen, dann ist die erste Runde geschafft.

Im Start-/Zielbereich ist die Verpflegung üppiger. Es gibt auch Orangen und sehr leckere Energieriegel. Alles in handliche Stücke geschnitten. Ein Blick auf die Uhr beruhigt. 1:23 h habe ich für Runde 1 benötigt. Alles im grünen Bereich.

Die zweite Runde verläuft exakt genau so, wobei es zunächst einsamer wird, denn meine nette Begleitung auf Runde 1 fällt zurück. Dann tauchen von hinten zwei Frauen auf, ohne Startnummern. Sie hatten vom Trailmarathon gehört, aber die Ausschreibung im Internet nicht gefunden. Was aber schlimmer war: sie hatten auch die Startnummernausgabe nicht gefunden und sind daher irgendwo eingestiegen und laufen einfach so mit.

Auf dem langen Schotterweg kommt der erste Läufer von Hinten an mir vorbei. Es ist Renè S., sicherlich vielen in der Laufszene bekannt. Hat er mir tatsächlich schon eine Runde abgenommen? Unfassbar! Er gewinnt am Ende souverän in 3:29 h.
Später folgen schnelle Halbmarathonläufer, die um 15:45 Uhr gestartet waren. Ich mache jeweils Platz, will auf den schmalen Pfaden niemanden aufhalten. Es ist auch eine kleine Läuferin dabei, die da an mir vorbei schießt. Sie wird als schnellste Frau gesamt 4. im Halbmarathon. Nicht schlecht.

In der 2. Runde hört der Regen auf. Ich laufe sie erneut in 1:23, ziehe aber dann die Weste aus und bringe sie ins Auto. Das Parkhaus liegt ja direkt an der Strecke. Die 2 Minuten, die ich hier verschenke, sind verschmerzbar. Der Trailanstieg wird aber hart in dieser 3. Runde und dann wird ja noch Runde 4 folgen! Oben auf dem Sommerberg läuft es dann aber weiterhin gut, so dass die 1:32 h für die 3. Runde ganz in Ordnung sind. Es ist jetzt sogar ein Polster da, um unter 6h zu bleiben. Schau'n mer mal.

Den Anstieg verkrafte ich ganz gut, verliere nicht so viel Zeit, wie befürchtet. Auch danach läuft es sich weiterhin ganz zufriedenstellend. Kurz nach km 8 der letzten Runde sehe ich ein gelbes Laufhemd. Es ist Ulrich T.. Kurz bevor ich ihn erreiche, klingelt überraschend mein Handy. Es ist Klaus B. mitten aus der 100MC Mitgliederversammlung. "Es ist gerade schlecht, ruf bitte in 10 Minuten noch mal an" kann ich ihm kurz antworten, denn man muss sich hier schon auf den Untergrund konzentrieren. Dann erreiche ich Ulrich. Er hat so seine Probleme mit den Trailpassagen. Er versucht sich wieder etwas abzusetzen, der bergab Abschnitt auf der Straße hilft ihm dabei. Auf dem folgenden Trail komme ich aber wieder heran. Kurz bevor wir die Straße erreichen, kingelt das Handy erneut. Hier ist der Boden besser zu belaufen, so dass ich Klaus zuhören kann. Es muss wohl wichtig sein, wenn er tatsächlich erneut anruft. Man ist ja heutzutage fast immer erreichbar. Mit dem, was er mir mitteilt und mich fragt, hätte ich allerdings mit keinem Gedanken gerechnet. Nun, Ihr werdet es sicherlich bald erfahren.

Für den Ziel-60 hatte Ulrich schon hochgerechnet, dass eine passende 5:53 nicht mehr zu schaffen ist. So plant Ulrich eine 5:58 ein, die er - vor dem Ziel wartend - leicht erreicht. Ich kann in diesem Bereich alles laufen und finishe in 5:55 h.

In der Ergebnisliste finden sich 8 Frauen und 13 Männer. Eine doch hohe Frauenquote, die hätte noch höher ausfallen können, wenn die beiden erwähnten Damen die Startnummernausgabe gefunden hätten.

Übrigens ist der Marathon ab 50 € (früheste Anmeldung im Februar) zu haben. Es geht dann bis max. 68 € für die Nachmeldung vor Ort. Außer der Streckenverpflegung gibt es aber nichts. Ergebnisse und Urkunde stehen im Netz und wer ein Shirt wollte, konnte dieses gegen Aufpreis vorbestellen.
Vermutlich ist im Startgeld auch der Eintrittspreis für den Baumwipfelpfad enthalten.

Ulrich wurde aber für den Sieg in seiner Altersklasse mit einer Medaille ausgezeichnet. Das tröstet über seinen letzten Platz hinweg. Meine Altersklasse (50 - 59) stellte mit 6 Finishern fast die Hälfte des Männerfeldes. Da gab es für mich natürlich keinen Blumentopf zu gewinnen.

Alles in Allem war es eine erfolgreiche Premiere und für mich ein gelungener und sehr schöner Lauf.
Noch kurz zur Länge der Strecke: GPS hat weniger angezeigt, berücksichtigt aber die Höhenmeter nicht. Insofern ist so ein Trail sicherlich nicht einfach und korrekt zu vermessen.
 
Viele Grüße
 Michael W.