Bei meiner Planung für einen reizvollen Marathonlauf Anfang 2005 fand ich im Internet mit dem Kathmandu Marathon in der Hauptstadt Nepals eine interessant klingende Marathonveranstaltung Mitte Februar. Über die Homepage des Marathons war eine Online-Anmeldung möglich. Allerdings rebellieren in Nepal seit 1996 Maoisten gegen die Einführung der Demokratie. Sie haben vor allem auf dem Land Rückhalt und streben nach dem Vorbild von Mao Tse-tung ein kommunistisches Regime an. Gemäß den Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes ist in Nepal durch die  Aufstände der Maoisten jederzeit mit Straßenblockaden und Generalstreiks zu rechnen, die jedoch in Kathmandu kaum spürbar sind. So buchte ich Ende Oktober über ein Reisebüro eine Unterkunft und über das Internet einen günstigen Flug. Die anschließende Marathon-Anmeldung über das Internet blieb jedoch zunächst unbeantwortet, d.h. die sonst übliche Anmeldebestätigung blieb aus. Einige Tage später nahm ich deshalb Kontakt mit dem Veranstalter auf. Doch meine e-mail konnte nicht zugestellt werden, die Mailbox des Veranstalters war voll. War etwa die geplante Marathonpremiere bereits im Vorfeld abgesagt worden, war niemand mehr erreichbar? Ich war schon etwas irritiert, hatte ich doch Hotel und Flug bereits gebucht. Schließlich kam ich auf die Idee, mich an das Tourismus Büro in Nepal zu wenden, von wo aus meine Anfrage freundlicher Weise per Fax an die Marathonorganisation weitergeleitet wurde. Tatsächlich erhielt ich am darauffolgenden Tag eine Antwort von Yvonne Gray, der Koordinatorin dieser Veranstaltung:  

 „Alles sei in Ordnung, der Marathon finde, wie geplant, statt und meine Anmeldung wäre eingegangen“. Kurz darauf konnten dann e-mails zugestellt werden und in den nächsten Wochen gab es durch meine verschiedenen Anfragen sehr engen Kontakt mit den sehr freundlichen Organisatorinnen Yvonne Gray und Fylvia Kline. Diese gaben sich unheimlich Mühe und machten knapp sechs Wochen vor dem Marathon ein sehr günstiges Übernachtungsangebot für das Yak & Yeti Hotel, das ich bereits beim Reisebüro gebucht hatte. Trotz Stornogebühren beim Reisebüro konnte ich dennoch kräftig sparen. „Ich zahle für Sie das Hotel und Sie geben mir dann den Betrag (50 USD/Nacht für das Doppelzimmer), wenn Sie mich in Kathmandu treffen“ antwortete Fylvia Kline auf meine Anfrage bezüglich der Bezahlung. So nahm ich das Angebot an. Alles war soweit klar, doch dann der Schock. Am 1. Februar löste der nepalesische König Gyanendra die Regierung auf und ließ den Ausnahmezustand verkünden. Der Flugverkehr von und nach Nepal wurde vorübergehend eingestellt. Die Kommunikationslinien in und nach Nepal wurden unterbrochen. „Im Lande ist es ruhig, gleichwohl wird empfohlen, bis auf weiteres von nicht notwendigen Reisen nach Nepal abzusehen“ war in den Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes zu lesen. Laut Zeitungsberichten feuerte der König damit bereits zum vierten Mal in drei Jahren eine Regierung. Als der König die Regierung 2002 das erste Mal absetzte, erschütterten tagelange Unruhen die Hauptstadt.

Konnte der Marathon unter diesen Umständen überhaupt stattfinden? Sofort schickte ich eine e-mail-Anfrage an den Veranstalter, die wegen der unterbrochenen Telefonleitungen unbeantwortet blieb. Ich hatte die Reise schon abgeschrieben, als ich am 8. Februar, wenige Tage vor Beginn der Reise, eine e-mail von Fylvia Kline erhielt. „Es sei ruhig in Kathmandu und der Marathon findet wie geplant statt.“ Die vom König verhängte totale Kommunikationssprerre war wieder weitgehend gelockert worden, Telefonnetz und Internetzugang arbeiteten wieder normal. Nach kurzer Rücksprache mit meinem Laufkameraden Helmut Hummel entschieden wir uns nach Kathmandu zu fliegen. Wir haben es nicht bereut.

Nach unserer planmäßigen Landung wurden wir vom Hotel am Flughafen abgeholt. Das Zimmer war tatsächlich bereits für uns reserviert und bezahlt worden, inklusive reichhaltigem Frühstücksbuffet. Nur die Startunterlagen waren nicht, wie vereinbart, an der Rezeption hinterlegt worden. Das 5 Sterne Hotel hatte jedoch ein Business Center, so dass ich per kurzem e-mail an Fylvia Kline bezüglich den Startunterlagen anfragen konnte. Als wir am darauffolgenden Nachmittag von unserem ersten Rundgang durch Kathmandu ins Hotel zurückgekehrt waren, fanden wir diese prompt in unserem Zimmer vor, ein ausgezeichneter Service. Kathmandu zeigte sich an diesen Tagen von seiner besten Seite. Herrliches Wetter mit Temperaturen um 20°C und man konnte problemlos alle Sehenswürdigkeiten auf dem Fußweg erreichen. Zwar war überall bewaffnetes Militär gegenwärtig, wir fühlten uns aber jederzeit sicher.

Kathmandu begeistert z.B. durch den Durbar Square, dem großen Palastplatz, durch die Swayambhu Stupa, auf einem Hügel gelegen und durch die vielen Gassen mit ihren zahlreichen Geschäften. Lästig nur immer die Händler, die einem unentwegt Souvenirs verkaufen wollen, auch wenn sie stets freundlich sind. Am Vorabend des Marathons wurde für 10 USD im Crowne Plaza Hotel eine erstklassige Pasta Party geboten, mit Schwarzwälder Kirschtorte als Nachspeise.

Der Marathon startete am 18. Februar bereits um 6:00 Uhr früh am Durbar Square. Es war noch angenehm kühl und vor allem waren die Straßen noch leer. So konnte man auf den ersten Kilometern durch Kathmandu seinen Rhythmus finden. Doch plötzlich fuhr mir der Schreck durch Mark und Bein. Ohrenbetäubende Kanonenschläge und Maschinengewehrfeuer in unmittelbarer Nähe. War das eine Auswirkung der Vorgänge vom 1. Februar und waren wir nun mitten in die Auseinandersetzungen geraten?  Das Feld der Marathonläufer zumindest lief unbeirrt weiter und entweder war dies eine Inszenierung für uns Marathonläufer oder sie galt der Königin, die am selben Tage ihren Geburtstag feierte. Schnell hatte sich das Feld auseinander gezogen und nach gut 10 km ging es dann in einem Bogen und einem ersten leichten Anstieg aus Kathmandu hinaus in Richtung Bhaktapur. Streckenposten gab es reichlich, alle sehr gut erkennbar an ihrem Trainingsanzug, den der Hauptsponsor Toyota zur Verfügung gestellt hatte.

Der Verkehr nahm nun stark zu und die Abgase machten mir zu schaffen. Wir liefen jetzt gegen die Sonne und durch die Dunstglocke, die über der Strecke hing, liefen wir durch ein ganz eigenartiges Licht, was aber auch faszinierte. Je näher wir Bhaktapur kamen, um so weniger wurde der Verkehr. In Bhaktapur selbst dürfen keine Autos fahren. So war der Abschnitt zwischen km 15 und 25 sehr gut zu laufen und vor allem Bhaktapur,

hier ist alles aus Backsteinen, auch die Straßen, war ein Highlight auf diesem welligen Kurs in einer Höhe von ca. 1300 Metern. Mittlerweile hatte sich die Dunstglocke über der Strecke aufgelöst und so bekam ich besser Luft. Allerdings nahm jetzt der Verkehr wieder zu. Die Streckenposten kontrollierten zwar die Kreuzungen, die Strecke selbst war aber nicht verkehrsfrei.  „Running for a Healthier Nepal“ war das Motto dieses Marathons, der vom Scheer Memorial Hospital in Banepa, etwa 60 km entfernt von Kathmandu gelegen, veranstaltet wurde. Durch seine Startgebühren ermöglichte jeder Teilnehmer 222 Arztbesuche für die einheimische Bevölkerung. Für mich war der Lauf aber inzwischen zum „Running to survive“ geworden. In unseren Breiten kaum vorstellbar, mitten durch den Großstadtverkehr zu laufen. Hier taten wir es und hatten Spaß daran. Die Autofahrer sind Menschen auf den Straßen gewohnt, gibt es doch kaum Gehwege.

Jenseits der 30 km Marke erreichen wir Patan, neben Kathmandu und Bhaktapur die dritte der alten Königsstädte. Hier liefen wir durch die engen Gassen mit den zahlreichen Läden. Dann kamen wir wieder nach Kathmandu zurück, wo man sich gegen Ende durch den stehenden Verkehr schlängeln musste. Zu Ehren des Geburtstages der Königin wurde auf einem großen Platz eine Parade gefeiert, gleich daneben das Sportstadion, wo der Zieleinlauf war. Im Ziel gab es eine schöne Medaille und reichlich Verpflegung für die Marathonläufer.


Sieger im Marathon wurde der einheimische Arjun Prasad Dhakal in 2:36:49. Bei den Frauen gewann die Südafrikanerin Regina Scheuer in 3:43:48. Laut Angaben des Veranstalters nahmen insgesamt rund 830 Teilnehmer auf den unterschiedlichen Distanzen (Marathon, Halbmarathon, 10 und 5 km) teil, wobei der Großteil die 5 km Strecke absolvierte. Für den Marathon waren 80, für den Halbmarathon 50 Teilnehmer gemeldet. Aufgrund der Ereignisse vom 1. Februar dürften allerdings weniger Teilnehmer am Start gewesen sein. Die Verpflegung an der Strecke mit Wasser und ab und zu Bananen war ausreichend. Zu verbessern sind aber die Kilometermarkierungen entlang der Strecke. Ich habe diese nur bei km 15, 20 und 25 gesehen. Größtes Manko aber war, dass nur die ersten 11 Zieleinläufer der Seniorenklasse beim Marathon erfasst wurden, für den Rest konnte weder eine Zeit noch eine Platzierung ermittelt werden. Dennoch eine gelungene Premiere, die hoffentlich im kommenden Jahr ihre Fortsetzung findet.

Michael Weber