Eigentlich begann der Kigali-Marathon schon auf Helgoland, als Doris mit Sylvia die 6-Stundenmarke unterbot und somit keine Ausrede mehr hatte, nicht mit nach Ruanda zu fahren.
10 Tage vorher hatte ich schon mal angefragt, was ich denn dieses Jahr zum Geburtstag geschenkt bekäme. Doris schöpfte sofort Verdacht und fragte, wo ich denn laufen wolle. Tja, und wenn der Marathon dann genau auf den Geburtstag fällt, gibt es tatsächlich kaum noch Einwandsgründe. Außer vielleicht das Zeitlimit, aber das hatte sich ja auf Helgoland erledigt.
Also buchten wir direkt nach dem Helgoland-Marathon noch in der Jugendherberge die Flüge und registrierten uns auf raceresult für den Kigali-Marathon. Bezahlen konnten wir per paypal bei einem Luxemburger. Dieser Zusammenhang klärte sich vor Ort auf.
5 Wochen später flogen wir also über Istanbul nach Kigali. Dort kamen wir nach Mitternacht an, kauften eine lokale Mobilfunkkarte und wurden von einem Fahrer des Hotels  zu unserem Hotel gebracht. Am Morgen hatten wir einen tollen Ausblick auf die Stadt und nach einem leckeren Frühstück mit Omelette gingen wir zum Gebäude des Sportministeriums, wo die Startnummernausgabe erfolgte. Nach einer Blutdruckmessung ging es zum Einchecken und auf der Liste war auch unsere paypal-Zahlung eingetragen. Klasse! Neben den Startnummern gab es noch ein ärmelloses Laufhemd aus Funktionsmaterial. Zurück im Hotel bekamen wir gleich Besuch von unserem dänischen Lauffreund Klaus, der bereits am Vortag angereist war. Wir gingen zusammen Cola und Wasser einkaufen. In dem Laden hatten sie auch eine Mikrowelle, in dem sie gefüllte Blätterteigtaschen und pikante Pfannkuchen anwärmten. Sogar vegetarisch und sehr lecker. Abends aßen wir im Hotelrestaurant Pizza in Gesellschaft von einer Gruppe junger Afrikaner, die in der Bar mit dem Barpersonal das Champions League-Finale schauten. Jede Aktion des Torwarts von Inter Mailand wurde bejubelt, weil er aus Kamerun kommt. Da hielten die Afrikaner zusammen.
Am Sonntag konnten wir moderat aufstehen, weil das Hotel nur 10 Gehminuten vom Start-Ziel-Bereich auf dem Vorplatz des Nationalstadions entfernt ist. Wir konnten sogar im Hotelrestaurant frühstücken: Service des Hauses, weil die Regelfrühstückszeit erst eine halbe Stunde später beginnt.
Auf dem Weg zum Start waren schon viele Läufer unterwegs, die meisten mit dem gestern verteilten orangefarbenen Laufhemd. Am Stadion machten wir mit den internationalen Lauffreunde aus Dänemark, Polen und Thailand das obligatorische Foto für den Countrymarathonclub. Die Flagge konnte ich im Zeitnehmerzelt deponieren – gut, wenn es ein deutscher Landsmann und ein deutschsprachiger Luxemburger sind. In der  Startaufstellung trafen wir einige junge Deutsche, die ich bereits in der Startliste gesehen hatte. Sie verbringen in Ruanda ihr Freiwilliges Soziales Jahr und geben an verschiedenen  Grundschulen Sportunterricht. Da ist die Teilnahme am (Halb-)Marathon eben Programm. Einige sah ich während des Laufs wieder und sie haben ganz schön gelitten. Die Strecke führte als Halbmarathonrunde durch die Stadt und es ging munter rauf und runter. Da freute man sich schon auf die zweite Runde, wenn dann noch die Wärme dazukommen würde. Wir liefen auf asphaltierten Straßen, die alle bis zum Zielschluss mit Trassierband abgesperrt waren. Zusätzlich standen ausreichend Polizisten an neuralgischen Streckenpunkten und dazu noch viele Ordner. Auch die Verpflegungspunkte waren gut besetzt und bis auf 1-2 Ausnahmen bis zum Schluss mit Wasser bestückt. Es waren zwar nicht viele Zuschauer an der Strecke, aber da es einige Begegnungsstücke gab, konnten sich die Läufer gegenseitig anfeuern. Es waren auch Armeegruppen dabei, die im Laufschritt in geschlossener Formation und mit Gesang auf die Strecke unterwegs waren. Sehr beeindruckend!
Ebenfalls sehr auffällig, dass die Straße, die Bürgersteige, die Grünstreifen alle blitzblank waren. Es lag überhaupt kein Müll rum. An einer Stelle reichten amerikanische Zuschauer Babybananen. Die Schalen warfen die Läufer auf die Straße. Da schämte ich mich als Teilnehmer, dass WIR die Straße verschmutzen, die ansonsten so sauber ist. Ich erreichte das Ziel nach 4.20 h, wobei ich in der zweiten Runde knapp 20 min mehr als in der ersten benötigte. Es lief gerade die Siegerehrung vom Marathon und ich hörte, dass die dritte Frau 7.500 US-Dollar gewonnen hatte. Respekt für diese Siegprämien, denn die Erst- und Zweitplatzierten erhielten sogar 20.000 bzw. 10.000 Dollar. Das erklärte auch die exzellenten Zeiten: 26 Männer (von 86) liefen sub 2:30 und 9 Frauen (von 30) sub 2:40 Stunden. Das Läuferfeld war für unsere Verhältnisse sehr jung: nur eine Frau und sieben Männer älter als 50 Jahre, bis auf einen, alles nichtafrikanische Ausländer.
Ich ging ins Hotel, brachte die Flagge weg, holte Handy und Cola und ging Doris entgegen. Es waren (logischerweise) nur noch wenige Läufer auf der Strecke und zuerst begegnete mir der Däne Klaus und dann Doris. Beide nahmen die Colaflaschen dankbar entgegen und sie strebten dem Ziel entgegen. Doris passierte die letzten beiden Kreisel noch abgesperrt, so dass sie keinen Umweg laufen musste. Dann zeigten die Polizisten immer wieder auf die Uhr, was heißen sollte, dass sie jetzt gleich die Absperrbänder abnehmen würden. Wir waren jetzt schon auf stadionnahen Straßen unterwegs, so dass ein Wechsel auf den Bürgersteig einfach möglich war, wenn mal ein Auto entgegen kam. Noch ein letzter Berg zum Stadion und dann lief Doris durch den Zielbogen. Die Zeitnahmematte lag inzwischen auf dem Bürgersteig, damit sie nicht unter Fahrzeugen litt – sie war noch in Betrieb. Der Däne Klaus saß erschöpft vor dem Zeitnehmerzelt und Doris setzte sich genauso platt dazu. Sie bedankte sich, dass die Stoppuhr noch lief, worauf die Zeitnehmer antworteten: „Wieso bedankt ihr euch? Ihr seid doch gelaufen.“ Doris sagte: „War ein Geschenk!“, was der  Zeitnehmer mit „Scheiß Geschenk“ kommentierte. In der nächsten Bar warteten die Polen und Dänen, aber wir zogen weiter, weil es kein alkoholfreies Bier gab. Im Hotel gabs eine erfrischende Dusche, etwas Ruhe und ein etwas mysteriöses Einchecken für den Rückflug. Das Portal der Fluggesellschaft monierte, dass wir den Hinflug nicht komplett abgeflogen hätten. Der Anruf bei der Turkish Hotline ergab, dass wir eingecheckt wären und den Rest am Flughafen klären sollten. Nach dem Abendessen (wieder Gebäck vom Supermarkt) fuhren wir zum Flughafen, wo es bei der Anfahrt einen sehr üppigen Sicherheitscheck gab. Am Schalter druckte der Mitarbeiter unsere Boardingkarten aus und gab uns für den Flug von Istanbul nach Hamburg sogar Plätze am Notausstieg mit mehr Freiheit für müde Marathonbeine. Es gab nach 30 Minuten einen Zwischenstopp in Uganda. Nachdem die Fluggäste, die hier aussteigen wollten, draußen waren, kamen die Reinigungskräfte an Bord und reinigten die freien Plätze, und auch nur diese. Wir standen dann auf und baten, dass auch unsere Plätzen Staub gesaugt wurden, da wir ja noch einige Stunden hier verbringen würden. Das wars dann auch schon fast und in Hamburg wurden wir von Tochter und Schwiegersohn abgeholt. Zu Hause kamen die andere Tochter und ihr Freund dazu und wir feierten mit Pizza meinen Geburtstag nach. Mit den Länderpunkten 94 (Mario) und 93 (Doris) auf dem „Geschenketisch“.

Kommentare

Submitted byWerner.Kerkenbusch on So., 23.07.2023 - 15:47

Hallo Mario,
herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag und danke mal wieder für deinen Abenteuerbericht.
Viele Grüße aus Oberhausen auch an Doris
Werner