Wer nach Nigeria reisen möchte, braucht viel Geduld und Durchhaltevermögen! Denn zur Visumsbeschaffung musste ich zum persönlichen Interview nach Berlin oder Frankfurt/Main reisen. Nachdem man den Antrag gestellt hat, sich eine persönliche Einladung von einem Nigerianer/In (mit Angabe deren/dessen Ausweisnummer) mit Reisegrund besorgt hat, sind ebenfalls Hotel- und Flugbuchung, Gelbfieberimpfungs- und Einkommensnachweis mitzubringen. Das Interview findet in einer Agentur statt, die die Unterlagen an die Botschaft bzw. das Konsulat weiterleitet.
Wir sind über Paris hingeflogen, weil die Flugverbindung über Amsterdam zu oft verspätet war. So hatten wir 6 Stunden Aufenthalt in Paris, aber dort ist reichlich Platz und durch den frühen Reisestart um 3:30 Uhr waren wir müde genug, noch etwas zu schlafen. Der frühe Aufbruch mit unserer Tochter Caro, als Bringservice zum Flughafen, war nötig, weil diesmal Doris von AirFrance keine Bordkarte online bekommen hatte, so dass diese entweder am Schalter oder Automaten abzuholen war. Doris stellte sich am Schalter an und ich probierte es am Automaten und mit Unterstützung einer Assistentin (sie probierte es mit der Ticketnummer, nachdem ich mit der Buchungsnummer nicht erfolgreich war) konnte ich im zweiten Versuch Doris‘ Bordkarte ziehen. So hatten wir in Hamburg auch schon etwas „Zeit“.
Endlich in Lagos (mit über 14 Mio Einwohner evt. bereits die größte, aber mindestens die zweitgrößte Stadt Afrikas) angekommen, mussten wir die zeitaufwendige Einreiseprozedur überstehen. Danach Geld besorgen und eine lokale SIM-Karte kaufen, man will ja erreichbar sein;-)
Das Hotel hatte einen Fahrer geschickt, aber den zu finden war in dem Chaos vor der Ankunftshalle nicht einfach. Im Nachhinein waren wir dankbar, dass uns ein „freundlicher Helfer“ (gut investiertes Trinkgeld!) unterstützt hat, denn wir hätten trotz Whatsapp-Kontakt den Fahrer wohl nicht gefunden. Spannend war, dass das Hotel über einem Abendclub lag und der Fahrer nur den Clubnamen als Ziel nannte, nicht den Namen des Hotels. Dort angekommen lasen wir ebenfalls nur den Clubnamen und waren erst entspannt, als uns der Hotelmanager begrüßte. Jetzt nur noch ab aufs Zimmer und schlafen. Nachts fiel regelmäßig der Strom in unserem Zimmer aus – das lag nach meiner Einschätzung an der elektronischen Türkarte, die auch die Stromversorgung des Zimmers freischaltete. Denn auf dem Flur und im Club war die ganze Zeit Strom vorhanden. Dummerweise steuerte der Strom auch die Wasserversorgung des Zimmers, so dass wir morgens erst mal zur Rezeption gehen durften, um wieder Strom und somit auch Wasser zu bekommen. That´s Africa!
Zwischenzeitlich war Klaus aus Dänemark eingetroffen, der von Frankfurt über Doha mit Qatar Air geflogen war. Eigentlich wollte er mit Lufthansa von Billund nach Frankfurt fliegen. Aufgrund des Lufthansa-Streiks reiste er stattdessen mit dem Auto nach Frankfurt und brauchte jetzt auch dringend Schlaf. Für uns ging es nach dem Frühstück mit einem Uber-Taxi – an die Sammeltaxis in Kleinbussen, die immer mit offenen Türen fuhren, trauten wir uns nicht ran – zur Startnummernausgabe in ein Stadion in der Innenstadt. Im Nebenstadion (Basket- oder Volleyball) war ein großes Zelt mit Stuhlreihen aufgestellt, auf denen die Läufer warten, bis sie an der Reihe waren, um an den Tischen ihre Startnummer und ihr Veranstaltungslaufhemd zu bekommen. Das System funktionierte: immer wenn vorne jemand an den Tresen ging, rutschte die ganze Truppe einen Stuhl weiter. Wir haben in einer knappen Stunde nur einen Vordrängler (ganz wichtig mit Gucci-Sonnenbrille, Anzughose und Oberhemd) erlebt, alle anderen haben sich hinten eingereiht und geduldig gewartet. Zurück im Hotel weckten wir Klaus und gingen bei Domino’s Pizza essen. Bezahlen konnte man nur bar oder mit einer lokalen Bankkarte – Kreditkarten funktionierten nicht. So waren wir immer auf der Suche nach Geldautomaten „on duty“, die auch noch mit Geld geladen waren. Erschwerend konnte man höchstens Bargeld im Wert von 3,60 EUR ziehen. Das war der Preis von einer Pizza. Entsprechend häufig waren wir an dem Automaten. Am Abreisetag (Sonntag) mussten wir 8 Automaten probieren, bis uns einer endlich 11 abgegriffene alte (produziert vor der Geldumstellung im Feb 2023) Scheine ausspuckte, um die Wasserflaschen im Hotel zu bezahlen. That’s Africa 2.
Am Freitag erkundeten wir mit Klaus den Zielbereich zu Fuß, denn das Hotel war bei dieser Punkt-zu-Punkt-Strecke so gewählt, dass es nur 2 Kilometer vom Ziel entfernt war. Der Zielbereich und der letzte Kilometer befanden sich in einem abgesperrten Areal, das mit breiten Straßen, Kanälen, Kreuzungen mit Tunneln auf verschiedenen Ebenen angelegt wird. Dort entstehen Geschäftsgebäude, Hotels, Wohnungen für Betuchte. Am Tor ließ man uns nach Rücksprache mit dem Security-Vorarbeiter durch, damit wir uns schon mal an dem letzten Anstieg erfreuen konnten. Den bin aber von uns Dreien nur ich gelaufen, denn Doris und Klaus wurden mit den vielen 10-Kilometerläufern durch ein anderes Tor geleitet und liefen seitlich auf das Ziel zu. Abends gab’s wieder Pizza und im Club war Party bis 4 Uhr morgens. Das war unsere Weckzeit, denn der Start war für 6:30 angemeldet und wir mussten ja noch Taxi fahren. Das Hotelfrühstück hatten wir abgesagt, um Zeit zu sparen. Die „verschwendeten“ wir dann mit der Wartezeit aufs Taxi, denn so sicher funktioniert UBER in Lagos nicht. Die Fahrer bekommen den Zielort bei der Buchung nicht mitgeteilt, damit sie Kurzstrecken nicht einfach wegblocken. So findet meistens noch ein Telefonat zwischen Fahrer und Kunden statt, wohin denn die Fahrt gehen soll. Nun brachte der Fahrer uns also Richtung Startbereich und irgendwann standen wir im Stau, denn die Strecke war schon abgesperrt. Wir liefen also die letzten paar hundert Meter zur Startlinie. Als wir 6:08 Uhr ankamen und unser Startfoto machen wollten, hieß es, wir könnten direkt loslaufen, denn der Start wäre kurzfristig auf 6:00 Uhr vorverlegt worden und die Läufer bereits unterwegs. That’s Africa 3.
Nach dem Foto liefen wir los, waren aber nicht allein unterwegs, denn diverse Einheimische wurden genauso überrascht. Die erste Stunde war es noch dunkel, doch wir liefen auf asphaltierten, verkehrsfreien Straßen, so dass sich Sturz- und Unfallgefahr in Grenzen hielten. Alle 2,5 Kilometer war ein Wasserstand, alle 5 Kilometer anfangs auch Cola oder Limonade, die von den Helfern angereicht wurden. Weiterhin waren ausreichend Streckenposten, Polizisten zur Straßensperrung und Reinigungskräfte, die die leeren Flaschen einsammelten, vorhanden. Ab Kilometer 7 führte die Strecke gut 14 Kilometer über eine 8 spurige Autobrücke, die die Lagos Lagune überspannte. Ein tolles Panorama, da sich die Fischerboote auf der Lagune befanden, mit der leicht eingetrübten Morgensonne im Hintergrund. Der Smog war erträglich und hatte den „Vorteil“, erst gegen Mittag der prallen Sonne ausgesetzt zu sein. Denn die Temperaturen waren mit 27° beim Start und später knapp über 30°C für einen wintergewöhnten Europäer nicht ohne. Laufen funktionierte aber den größten Teil und auch die anfangs noch überholenden oder „fahrtspielenden“ Nigerianer wurden auch müde und so konnte „Poppa“, wie man mich vom Straßenrand anfeuerte, später noch den ein oder anderen einsammeln. Auf den letzten Kilometern war die Straßen nicht mehr komplett autofrei, so dass die Läufer schon aus Selbstschutz teilweise marschierten, um a) Seitenabstand zu den Fahrzeugen bei unebenen Randstreifen zu halten und b) auf Kreuzungen Sichtkontakt zu den Fahrern herzustellen. Auf dem bereits erkundeten Zielgelände wartete ich noch die letzte Steigung gehend ab, um dann wieder in den Laufschritt zu wechseln und da hatte ich dann noch ein paar Überholungen. War allerdings egal, denn im Zielbereich gab es offensichtlich schon länger keine Medaillen mehr. Der Veranstalter entschuldigte sich später auf facebook, dass die Helfer bedroht wurden und so auch an Nichtläufer Medaillen verteilten. Keine Ahnung, ob das stimmt oder der Veranstalter einfach zu wenige bestellt hat. Da es auch keine kostenlose Zielverpflegung mehr gab, ging ich also wieder zurück bis zu einem Laden, um Pepsi und Wasser für mich, Doris und Klaus (Getränke für deren letzte Kilometer) zu kaufen. Denn auch das Wasser auf der Strecke wurde schon bei mir knapp bzw. die Stände abgebaut, obwohl ich 2 Stunden vor Zielschluss eingelaufen bin. Leider bin ich auf dem Rückweg falsch abgebogen und habe somit Doris erst nach ihrem Zieleinlauf getroffen. Die Getränke schmeckten ihr dann auch noch. Klaus war da schon wieder im Hotel, denn der reiste noch am Nachmittag zurück nach Hause. Wir gingen langsam zurück zum Hotel, „baten“ um Wasser zum Duschen und erholten uns. Diesmal ohne Club-Party, nur mit der sich immer wiederholenden Musik (Madonnas „La Isla Bonita“ können wir jetzt mitsingen!). Wir blieben im Zimmer und aßen und tranken unsere Vorräte. Morgens am Abreisetag wieder um „Wasser bitten“, um danach zu erfahren, dass der Koch außer Haus ist und es kein Frühstück gäbe. Man wollte uns etwas draußen besorgen, was wir aber extra bezahlt haben. Die Hotelbezahlung wurde zur Arie, denn bei der Buchung hieß es „Kein Bargeld“. Zu dumm, wenn das Kreditkartenlesegerät angeblich kein Empfang hat und der Manager um Zahlung in US-Dollar bittet. Wir sind erfahren genug, darauf vorbereitet zu sein. Der nächste „Knüppel“ war die Ablehnung von Scheinen, die älter als 2012 sind. Wir hatten Glück, dass unsere Sammlung jung genug war. Bei Klaus wurde tatsächlich ein Schein zurückgewiesen. Bei unserem nächsten Bankbesuch in Deutschland werden wir also drauf achten, dass wir nicht nur druckfrische, sondern auch NEUE Scheine für die Reisekasse erhalten. Nach der Bezahlung wollten wir dann auch noch eine Quittung mit Betrag in Dollar und Hotelname. Die Rezeptionistin war der Verzweiflung nahe. Wie gesagt: wir haben unsere Erfahrungswerte!
Nach einem ausgiebigen Spaziergang zum Meeresstrand (Golf von Guinea), der aber leider nicht kostenlos zugängig ist, fuhren wir mit dem Taxi zum hotelnahen Supermarkt. Kauften dort an der Imbisstheke Pommes, Nudeln und Reis. Im Hotel wurde gespeist, wobei Nudeln und Reis doch etwas „spicy“ waren. Zum Glück hatten wir noch reichlich Getränke zum Spülen. Nach dem Packen ging’s mit dem vom Manager bestellten Taxi zum Flughafen. Der Fahrer fragte nach unseren Eindrücken. Ich antwortete, dass das Land ja gut sein müsste, wenn es so kompliziert ist, ein touristisches Einreisevisum zu bekommen. Da war er überrascht, dass nicht nur die Reise für einen Afrikaner nach Deutschland, sondern auch der umgekehrte Weg kein Selbstgänger ist. Als er mir auf der langen Brücke noch erzählen wollte, dass wir gerade über das Meer fahren und ich ihm erklärte, das wäre die Lagune, die über eine Meeresenge mit dem Golf von Guinea verbunden ist, fragte er, ob ich Geografie studiert hätte. So war die Taxifahrt zumindest nicht langweilig. Am Flughafen gab’s nur noch einen kleinen „Schmerz“, dass nämlich unser Flug nicht auf den Monitoren angezeigt wurde. Jemand vom Personal meinte, wir müssten uns halt anstellen, an der Mega-Schlange mit den Leuten, die ihren halben Hausstand als Gepäck aufgeben wollten. Wir hatten aber diesmal schon alle Bordkarten und machten uns deshalb auf den Weg zur Ausreisekontrolle. Dort raunzte uns der Beamte an, weil wir das postkartengroße Ausreiseformular nicht ausgefüllt hatten. Das gäbe es am Schalter der Fluggesellschaft – herzlichen Dank. Zum Glück hatte der Nebenschalter noch ein paar blanko, die wir dann nutzten. Durch die Sicherheitskontrolle konnten wir Getränke mitnehmen (die restlichen, die wir im „Niemandsland“ nach jeweils der 3. Halbliterflasche nicht mehr geschafft hatten). Diese wurden dann aber am Gate von der Servicekräften der Fluggesellschaft abgenommen – keine Ahnung, mit welcher Legitimation das erfolgte. Egal, vorher hatte ich noch mit einem Händler „ausgiebig verhandelt“, denn wir brauchten noch Aufnäher, Flagge und Souvenir. Da wir nach dem 10minütigen Gespräch beide noch miteinander lachen konnten, war es wohl ok. Im Flieger hatten wir zwar Beinfreiheit, konnten aber nicht schlafen und so schauten wir Filme. Der Transfer in Amsterdam war wegen 20minütiger Verspätung etwas eng, auch deshalb, weil die 10 EU-Reisepasslesegeräte alle ausgeschaltet waren, und deshalb alle Fluggäste an 2 Einreiseschaltern manuell kontrolliert wurden. Wir sind gut im Sprinten mit Rollkoffer und erreichten das Gate trotzdem rechtzeitig. In Hamburg kamen wir in den Genuss vom Abholservice durch Tochter Jenny und Enkel Milan, so dass wir am Montagmorgen pünktlich zur Frühstückspause um ½ 9 zu Hause waren.
Das ist die Geschichte aus Nigeria von Doris‘ 95. und Marios 99. Länderpunkt.

PS: ein Mitläufer von Doris hat am Dienstag vom Veranstalter unsere Medaillen abgeholt. Die sind per DHL-Kurier bereits auf dem Weg nach Norddeutschland. Vielen Dank dafür!